Die vier Bereiche der Hanf-Politik im Sommer 2019

Die Pilotversuche befinden sich in der parlamentarischen Phase, die Erleichterungen für Hanf-Medizin vor der Vernehmlassungsrunde, ein Hanfgesetz ist im Parlament (noch?) ohne Chance und für die Initiative wurde ein eigener Verein gegründet.

In der Schweizer Hanfpolitik gibt es vier zentrale Bereiche. In diesem Artikel fassen wir die Entwicklungen der letzten Monate zusammen.

Cannabis-Pilotversuche

Details auf parlament.ch, 19.021

Verschiedene Städte diskutierten seit 2005 immer wieder über Cannabis-Versuche – also Abgabeprojekte, mit denen der Freizeitkonsum von Hanf konkret erforscht werden sollte. Diese Vorhaben scheiterten jedoch, weil dafür die gesetzliche Grundlage fehlt.

Daher wurden im Parlament diverse Vorstösse für die Schaffung eines Experimentierartikels eingereicht (Details siehe LI81 und LI82), die 2018 in eine Vorlage des Bundesrates mündeten. Der Vernehmlassungsbericht dazu wurde Ende Februar 2019 präsentiert, gleichzeitig wurde die Botschaft zu dieser Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) vorgelegt. Der Bundesrat schlägt vor, darin einen neuen Artikel 8a einzufügen, der das allgemeine Cannabis-Verbot während zehn Jahren für solche Pilotversuche ausser Kraft setzt.

Die Gesetzesänderung ist allerdings sehr knapp gehalten. Wirklich konkret wird das Ganze erst in der Verordnung des Bundesrates. Diese existiert als Vorvariante – er kann und wird diese wohl noch anpassen.

Aber zuerst einmal muss nun das Parlament diese BetmG-Änderung gutheissen. Die parlamentarischen Beratungen haben begonnen: Anfang Mai 2019 ist die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) auf die Vorlage des Bundesrates eingetreten, wenn auch nur knapp mit 12 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Der Plan ist, nach der Sommersession (Juni 2019) die Vorlage im Detail zu beraten. Anschliessend muss dann der Nationalrat darüber befinden – auch dort dürfte es (wieder einmal) knapp werden.

Wenn jemand an einem solchen Versuch teilnimmt, ist er oder sie schon eher ein Versuchskaninchen denn ein mündiger Konsument oder eine selbstbestimmte Konsumentin. Wenn wir die Botschaft des Bun­desrates aus Sicht der Konsumierenden lesen, fällt folgende Wortwahl auf: In den Versuchen soll der Ge­sundheits­zu­stand der Teilnehmenden über­wacht und es kann auch eine verbindliche Teilnahme an ei­ner Präventionsmassnahme vorgeschrieben wer­den. Problematischer Kon­sum soll in den Abgabestellen früh erkannt – und dann interveniert werden. Solche Konsumierende sollen für eine Therapie gewonnen werden. Letztendlich soll die Abstinenz gefördert und die Betroffenen therapeutisch eingebunden werden. Der Gesundheitszustand soll auch nach Ende des Versuchs weiter kontrolliert werden.

Zitat aus der Botschaft (BBl 2019, Seite 2558): «Durch die Überwachung der ge­sundheitlichen Auswirkungen ist die Wahr­scheinlichkeit erhöht, dass Personen mit einem problematischen Cannabiskonsum einer Behandlung zugeführt werden.»

Können wir, falls solche Versuche bewilligt werden sollten, Interessierten die Teilnahme empfehlen? Da müssen wir genau hinschau­en, denn der Tonfall deutet eher darauf hin, dass Teilnehmende zwar nicht strafrechtlich verfolgt werden, aber vielleicht in therapeutisch-ärztlicher Behandlung landen. Denn der «problematische Konsum» wird sicher nicht von den Probanden definiert.

Erleichterungen für Hanf-Medizin

Seit 2011 können Kranke THC-haltige Produkte beziehen, allerdings nur mit einer Ausnahmebewilligung. Das Vorgehen ist umständlich und die Kosten werden von den Krankenkassen nicht zwingend übernommen. An diesem Status stossen sich viele: Kranke, ÄrztInnen, Angehörige. So forderte CVP-Nationalrat Ammann, auch aus persönlicher Betroffenheit, im Blick vom 3.4.19, dass es nicht mehr eine Ausnahmebewilligung des BAG brauchen, sondern ein ärztliches Betäubungsmittel-Rezept genügen soll. Dies wird wohl auch die Grundidee der vorgeschlagenen Änderung sein.

Ende Juni 2019 soll das EDI dem Bundesrat die 2018 bestellte Vernehmlassungsvorlage abliefern. Anschliessend wird der Bundesrat die Vernehmlassung zum Thema durchführen (erst nachher können die parlamentarischen Beratungen beginnen; das wird also noch dauern). Das Ganze ist aber ein recht komplexes Thema, der Bericht des Bundesrates «Cannabis für Schwerkranke» vom Juli 2018 war bereits 54 Seiten lang.

Hanf raus aus dem BetmG

Ein eigenes Hanf-Gesetz wurde im Parlament schon verschiedentlich gefordert, bisher ohne Erfolg. Zurzeit hängig sind folgende Geschäfte:

Heinz Siegenthaler (BDP): «Gleichbehandlung von Cannabis und hochprozentigem Alkohol», 18.3150

Beat Flach (GLP): «Cannabis legalisieren und Steuersubstrat für die AHV/IV generieren», 18.4009

⇒ Weiter hat die Eidgenössische Kommission für Suchtfragen (EKSF) im April 2019 mehrere Berichte zu Cannabis veröffentlicht. Sie hat (wieder einmal) gefordert, Cannabis nicht mehr zu verbieten, sondern zu legalisieren und ein Regulierungsmodell einzurichten, bei dem auch die Kantone mitbestimmen können und welches den Schutz der Bevölkerung sowie die Kontrolle und Regulierung des Marktes mittels zehn Grund­sätzen erreichen soll. Die Wirksamkeit der Prohibition sei fraglich und habe negative Ne­benfolgen, der Cannabismarkt trotz Verbot gross und der Konsum unter Jugendlichen weit verbreitet.

Allerdings ist diese Kommission nur beratend tätig und kann keine Gesetzesänderung einleiten (mehr: hanflegal.ch/eksf).

Projekt Volksinitiative

Von 2016 bis 2018 hat eine Arbeitsgruppe in unserem Verein Legalize it! Vorbereitungsarbeiten für eine neue Volksinitiative geleistet. Dabei haben wir immer wieder diskutiert, ob für dieses spezielle Projekt ein eigener Verein gegründet werden sollte. Nach einigen Abklärungen ist dies nun geschehen. Per Ende 2018 hat der Verein Legalize it! das Projekt Initiative an den neuen Verein Cannabis Consensus Schweiz (CCS) abgegeben und den Überschuss des Projektes an diesen weitergeleitet (19’042 Franken).

Anfang 2019 wurde der CCS gegründet, am 8. Mai fand eine Generalversammlung statt, die ein erstes Budget verabschiedet und den Vorstand gewählt hat. Es wird nun noch etwas Zeit brauchen, bis sich das neue Gefäss strukturiert hat. Wir werden uns an diesem Projekt nach Möglichkeit weiterhin beteiligen (siehe dazu LI83, Seite 11).

Zuletzt geändert: 2023/12/22 21:16

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