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Ordnungsbusse
Ordnungsbussengesetz (OBG), SR 314.1, Art. 2: Kantone bestimmen die Behörde, Art. 3: Widerhandlung selbst festgestellt, Art. 4: Mindestens 18 Jahre
Ordnungsbussenverordnung (OBV), SR 314.11, Anhang 2/Bussenliste 2, Kapitel VIII, Position 8001: Unbefugter Konsum von Betäubungsmitteln des Wirkungstyps Cannabis (Art. 19a Ziff. 1 BetmG) ⇒ 100 Franken. Im PDF (2023) auf Seite 32
Leichter Fall
Betäubungsmittelgesetz BetmG, SR 812.121, Artikel 19a, Absatz 2, im PDF (2023) auf Seite 19
Die Ordnungsbusse kann nur ausgestellt werden, wenn die Polizeibehörde vom Kanton dafür ermächtigt worden ist, die Polizei den Konsum selbst festgestellt hat, weniger als 10 Gramm Cannabis im Spiel sind, keine weiteren Straftaten begangen wurden und die Person erwachsen ist.
Am besten nie mit mehr als 10 Gramm herumlaufen. Wenn jemand einen Joint in der Öffentlichkeit raucht und von der Polizei erwischt wird, sollte man nur diesen Joint zugeben und bei Fragen nach weiterem Konsum die Aussage verweigern oder lügen, sonst kommt das ordentliche Verfahren zum Zug.
100 Franken ist der Tarif fürs Kiffen, wenn dies von der Polizei festgestellt wurde. Dieser Betrag ist für die ganze Schweiz gültig. Es werden keine Gebühren erhoben und im Wiederholungsfall gibt es keine Erhöhung. Allfälliges Material und auch der Joint werden meistens sichergestellt und vernichtet.
Schlagzeilen wie «Wer kifft, zahlt 100 Stutz» (Blick), «100 Franken für Cannabiskonsum» (NZZ), «Busse für Kiffer soll 100 Franken betragen» (Tagi) suggerierten bei der Einführung 2013, dass generell nur eine Ordnungsbusse zu befürchten ist, wenn jemand kifft. Die Grenze von 10 Gramm wurde zwar häufig erwähnt, aber kaum, dass diese Menge straffrei ist.
Da wurde nicht wirklich klar, um was es denn nun geht. Es geht nicht um das Kiffen im Allgemeinen, das ist und bleibt eine Übertretung, die im ordentlichen Verfahren abgehandelt werden muss (polizeiliche Befragung, Protokoll, Verzeigung; dann stellt eine andere Stelle eine Busse mit Gebühren aus, im Wiederholungsfall wird diese höher, siehe hier).
Es geht bei den Ordnungsbussenbestimmungen nur um den durch die Polizei selber festgestellten Konsum. Konkret also das Rauchen eines Joints in der Öffentlichkeit, allenfalls auf einem einsehbaren Balkon oder im Garten. Wenn die Polizei diesen Konsum selber festgestellt hat und bei der Durchsuchung der Kiffenden nicht mehr als 10 Gramm findet (diese sind laut Gesetz straffrei, quasi legal), dann kann sie selber diesen Konsum direkt mit einer Ordnungsbusse (OB) von 100 Franken bestrafen.
Das gilt jedoch nur für Erwachsene (Jugendliche müssen weiterhin «normal» verzeigt werden) und solange keine anderen illegalen Handlungen begangen wurden.
Damit sind die Ordnungsbussen nur für einen kleinen Teil der möglichen illegalen Handlungen rund um THC relevant. Kommt aber jemand in diese Kategorie, dann ist eine Ordnungsbusse à 100 Franken zwar immer noch eine Frechheit, aber klar besser als eine Verzeigung mit Busse und Gebühren von 200 bis 1’000 Franken.
Der Kanton Bern nahm diese Möglichkeit zur Vereinfachung der Kiffverfolgung nicht wahr und verzeigte lieber weiter (nur 196 Ordnungsbussen im Jahr 2017), während der Kanton Zürich dieses Mittel rege nutzte (3’053 Ordnungsbussen im gleichen Jahr). Das sind krasse Unterschiede in der Umsetzung. Insgesamt wurden schweizweit 2017 übrigens 18’146 Cannabis-Ordnungsbussen ausgestellt (sowohl für festgestellten Konsum wie auch für Besitz einer geringfügigen Menge ohne Konsum).
Nachdem das Bundesgericht die Straflosigkeit des Besitzes einer geringfügigen Menge bestätigt hatte, konnten die Polizeien dafür keine OB mehr erteilen. Deshalb ist die Anzahl OB ab 2018 massiv gesunken (siehe Statistik). 2016 war der Höhepunkt mit 19’766 ausgestellten OB, 2020 waren es dann noch 4'013. Zehntausende wurden also vorher zu Unrecht gebüsst!
Die Polizei kann sich nach wie vor auch entscheiden, dass im konkreten Fall mehr vorliegt als nur der Joint und das Haschstückchen und weitere Abklärungen gemacht werden «müssen». So können auch solche Fälle zu einem ordentlichen Verfahren führen.
Denn, wie es in einer Präsentation der Stadtpolizei Zürich heisst: «Das Ordnungsbussenverfahren ist ausgeschlossen (…), wenn gleichzeitig weitere Widerhandlungen gegen das BetmG (…) vorliegen, die nicht im Ordnungsbussenverfahren geahndet werden können (z. B. Dauerkonsum).»
Sicher ist: Wer der Polizei ehrlich von vergangenem Konsum erzählt, kann und wird sehr wohl verzeigt werden.
Einen Rechtsanspruch auf die Bestrafung mit einer Ordnungsbusse können wir nicht erkennen. Das Gegenteil ist jedoch möglich, alle dürfen sagen: «Nein, ich will keine Ordnungsbusse von der Polizei, sondern im normalen Verfahren verzeigt werden». So können Betroffene das Ganze auch über die Instanzen weiterziehen. Dies bringt aber selten etwas, denn die Kosten steigen enorm.
Die Bestimmungen über die Ordnungsbussen sind zwar im gesamtschweizerischen Ordnungsbussengesetz und der -verordnung fixiert, aber da die Kantone die Verfolgung konkret umsetzen müssen, braucht es auch kantonale Bestimmungen. Erst diese kantonalen Beschlüsse ermächtigen bestimmte Polizeiorgane, Ordnungsbussen auszustellen. So hatten zum Beispiel die Walliser Gemeindepolizeien die ersten Jahre diese Befugnis nicht und verzeigten also wie bis anhin, während die Walliser Kantonspolizei bereits Ordnungsbussen erteilte.
Im Kanton Bern dürfen nur uniformierte Polizeibeamte Ordnungsbussen erteilen, während in vielen anderen Kantonen dies alle Mitglieder einer berechtigten Behörde dürfen.
Das BetmG ermöglicht das Verfahren in «leichten Fällen» einzustellen oder mit einer Verwarnung zu beenden, also ohne jegliche Strafe. Diese Bestimmung könnten die Behörden anwenden, was sie leider äusserst selten tun.
Dabei wäre genau dies der richtige Ansatz: Aus rechtsstaatlichen Gründen und aufgrund der verfassungsmässigen persönlichen Freiheitsrechte müssten die Behörden diese Bestimmung des BetmG breit anwenden. Doch bei den Polizeien, den Stadtrichterämtern, den Statthalterämtern und den Staatsanwaltschaften ist dies (noch?) gar nicht angekommen!
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