Interview mit einem Darknet-Cannabis-Käufer

Legales Cannabis aus den Pilotprojekten gibt es derzeit erst in Basel-Stadt. In Zürich geht es frühestens Ende Jahr los. Aber wie versorgen sich die ­Konsumierenden aktuell? Viele haben private Connections, kaufen auf der Strasse oder aber bequem von zu Hause aus über das Darknet.

Wir haben in einem Darknet-Forum ­gesucht und tatsächlich einen Kunden ­gefunden, der zu einem anonymen Interview bereit war.

Michael: Das letzte Mal haben wir im Legalize it! 86 (Winter 2019) über das Darknet berichtet. Damals konnte man z. B. Hasch für 30 Franken kaufen. Geht das heute noch genauso?

Kunde: Seitdem hat sich einiges geändert. Heute findet man kaum noch Angebote unter 10 g und muss daher meist mindestens 100 Franken ausgeben – natürlich auf eigenes Risiko, für eine Sorte, die einem vielleicht schlussendlich gar nicht gefällt.

Michael: Hier möchte ich kurz anmerken: Vom Bestellen von mehr als 10 g raten wir ab, denn ohne Bestrafung darf man nur bis zu 10 g THC-haltige Produkte für den ­Eigenkonsum besitzen. Bei über 10 g muss die ­Polizei ein Verfahren einleiten.

Kunde: Überhaupt sieht es mit Angeboten in letzter Zeit oft schlecht aus im Darknet. Gleich mehrere Darknet Markets wie «Dark0de» oder «Cannazon» sind in letzter Zeit verschwunden. [Anmerkung der ­Redaktion: Darknet Markets sind Shop-Plattformen, welche Kundschaft und Handeltreibende zusammenbringt wie eBay, aber eben fürs Darknet.] Manche wurden von Strafverfolgungsbehörden geschlossen, andere haben sich mit dem Geld der laufenden Bestellungen aus dem Staub ­gemacht («Exit Scam»).

Michael: Sind denn überhaupt noch Markets online? Wie reagierst du als Kunde?

Kunde: Irgendein Market ist meist schon noch online. Ausserdem bin ich auf einen Schweizer Darknet-Händler gestossen, der neuerdings einen eigenen Darknet-Shop betreibt. Da muss ich gar nicht mehr über einen Market gehen, sondern habe immer die Möglichkeit, direkt bei diesem Händler zu bestellen.

Die meisten Darknet-Händler sind zudem mehrgleisig unterwegs. Man findet sie nicht nur auf einem einzigen Market, sondern gleich auf mehreren (sofern es zum ­jeweiligen Zeitpunkt mehrere aktive gibt…) und natürlich auf Messengern wie Telegram.

Michael: Was gibt es denn derzeit in dem Shop oder auf den Markets, und wie entscheidest du dich für ein Angebot?

Kunde: Generell schränke ich zunächst die Produktliste auf Händler ein, die aus der Schweiz liefern, damit ich keinen Ärger mit dem Zoll bekomme. Dann schaue ich auf die Bewertungen und das Angebot. Bei dem Händler, den ich diesmal wählte, gibt es seit der letzten Bestellung komplett ­andere Sorten. Es blieb mir also gar nichts anderes übrig, als wieder mal eine neue Sorte auszu­probieren.

Die Cannabis-Sorte, auf die meine Wahl fiel, heisst «Nebula Haze». Sie ist laut ­Angebotsbeschreibung ein 50/50 Sativa/ Indica-Hybrid mit fruchtigem Geschmack und einem relaxten High. Am folgenden Tag traf dann die Ware ein.

Die Buds waren tatsächlich knallig grün und genau so mit Harz und orangenen Staubfäden überzogen, wie auf dem Bild des Händlers beworben!

Der Geschmack war intensiv und einwandfrei, und die Wirkung sehr angenehm.

Michael: Vertraust du dem Händler oder wie stellst du sicher, dass das Material ­sauber ist?

Kunde: Früher musste man den Händlern einfach vertrauen. Mittlerweile gibt es ein interessantes Angebot vom DIZ [Anmerkung der Redaktion: Drogeninformationszentrum (DIZ) der Stadt Zürich], wo man genau testen lassen kann, wie hoch der THC-Gehalt und CBD-Gehalt tatsächlich ist, und ob es irgendwelche Verunreinigungen im Material hat.

Beim DIZ muss man für ein Cannabis-Drug Checking zunächst mittwochs telefonisch einen Termin am Donnerstagabend abmachen. Einen Tag später bringt man 1 g zerkleinerte Cannabis-Blüten vorbei und füllt sie in ein Mini-Grip um, welches vom Labor vorgeschrieben wird. Dazu beantwortet man im persönlichen Gespräch mit den freundlichen DIZ-Mitarbeitern ein paar Fragen: Wo man das Material denn gekauft hat und aus welchen Gründen genau man denn den Dienst in Anspruch nimmt.

Viele kommen mit Verdacht auf synthetische Cannabinoide. Ich habe keinen Verdacht darauf gehabt, sondern wollte einfach den THC- und CBD-Gehalt bestimmen lassen. Das Laborresultat kann man telefonisch acht Tage später abfragen. ­Abgesehen von den 1 g Blüten ist das ­Angebot der Stadt kostenlos.

Meine Bestellung hatte ich also im Labor testen lassen. Hierbei kam heraus, dass der THC-Gehalt bei 13.4 % und der CBD-Gehalt bei < 0.05 % liegt. Das sei typisch für die Blüten-Proben der letzten Zeit, die im Schnitt 12 % THC enthielten und kein CBD. Zum Vergleich: Der Darknet-Händler hat den THC-Gehalt mit 22 % angegeben, der CBD-Gehalt war nicht spezifiziert.

Michael: Vielen Dank für das Gespräch!

Unser Fazit

Zusammenfassend habe ich von meinem Interviewpartner gelernt: Das Angebot im Darknet schwankt stark, sowohl was die verfügbaren Markets angeht als auch die Händler auf den Markets (und anderswo) und die Sorten, welche wiederum bei den Händlern zu finden sind. Die kleinste Menge scheint nun überall 10 g zu sein, ­bezahlt wird üblicherweise via Bitcoin, manchmal via Monero.

Während die Ware visuell, geschmacklich und vom Effekt her das hält, was der Anbieter verspricht, weicht der THC-Gehalt deutlich ab, was aber wohl leider üblich ist. Ein THC-Gehalt von 13.4 % ist keinesfalls schlecht, es wäre einfach schön, wenn die Beschriftung akkurat wäre. Dafür müssen wir in der Schweiz aber wohl auf die Pilotprojekte warten oder auf eine Legali­sierung…

Bis dahin kaufen die meisten also Ware, die nicht geprüft ist. Die einzige Möglichkeit für etwas Sicherheit bietet das «Drug ­Checking». Früher wurden nur Pillen und Pulver getestet, nun können auch Cannabisprodukte überprüft werden. Diese Stellen testen ­Cannabis standardmässig:

  • saferparty.ch (DIZ, Drogeninformationszentrum der Stadt Zürich)
  • raveitsafe.ch (dib, «drogeninfo bern» der CONTACT Stiftung für Suchthilfe, in den Städten Bern und Biel)
Zuletzt geändert: 2023/12/22 21:16

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