Verfassung sagt: Wir dürfen kiffen

«Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit.» Dieser Artikel 10, Absatz 2 unserer Bundesverfassung gibt uns das Recht, unser Leben selber zu gestalten – auch in Bezug auf THC-Konsum.

Ein Professor spricht Klartext

Peter Albrecht, Professor in Basel und Bern, hat schon einiges über das Thema Strafrecht publiziert. In der Ausgabe 6/2004 des «plädoyer», dem Magazin für Recht und Politik, stellt er auf 10 Seiten grundlegende Fragen zur Rechtmässigkeit des heutigen Betäubungsmittelgesetzes.

«Woher nimmt eigentlich der Staat das Recht, jemandem den Gebrauch gewisser Stoffe wie Heroin, Kokain oder Cannabis zu verbieten?», ist seine Ausgangsfrage. Dabei ist Betäubungsmittelkonsum für ihn primär ein Akt der Selbstgefährdung. Solches Verhalten ist jedoch in unserer Rechtsordnung üblicherweise nicht strafbar – auch die extremste Form dieses Verhaltens, der Suizid, wird nicht bestraft. Die Straflosigkeit von Selbstgefährdungen ergibt sich für ihn unmittelbar aus dem im Lead zitierten Artikel 10, Absatz 2 der Bundesverfassung. Alle Menschen haben das Recht, ihr Leben so zu leben, wie sie es möchten und dürfen daher auch gefährliche Handlungen begehen. Freiheit ist eben auch die Freiheit, etwas zu tun, was andere nicht gut finden. «Auch in diesem Bereich (der psychoaktiven Substanzen) besteht demnach ein Recht auf Konsum, und das strikte Verbot des Art. 19a BetmG erweist sich insoweit als verfassungswidrig», schreibt Albrecht.

Aber Drogen verursachen doch gesellschaftliche Kosten?

Diesem Argument kann der Professor nicht viel abgewinnen. Der Schutz der «Volksgesundheit», eine allfällige «Sozialschädlichkeit» oder auch die Kosten, die zum Beispiel durch THC-Konsum entstehen könnten, sind für ihn keine Gründe für eine Illegalisierung. Denn Kosten rechtfertigen nicht die Strafbarkeit.

Auch wir meinen, allfällige Kosten könnten ja über Besteuerung oder Lenkungsabgaben von den Konsumierenden zurückgefordert werden. Das Strafrecht, das ein sehr scharfes Instrument darstellt, ist dafür eben nicht nötig und auch nicht erlaubt. Das Strafrecht darf nur dort zum Zuge kommen, wo die Rechte anderer Menschen in Mitleidenschaft gezogen werden.

Aber Albrecht bleibt nicht beim Konsum stehen – auch Handlungen, die anderen den Konsum ermöglichen, können nicht einfach so bestraft werden. «Deshalb sei hier klargestellt, dass die blosse Unterstützung einer bewusst und eigenverantwortlich eingegangenen Selbstgefährdung kein strafrechtliches Unrecht bilden kann.»

Die Gerichte sollen flexibler werden

Albrecht beklagt weiter die «masslose Sonderjustiz, die von einer sehr einseitigen Wahrnehmung» des heute gültigen Gesetzes herrühre. Denn Albrecht findet das heutige Gesetz gar nicht so schlecht, schlecht findet er vor allem die konkrete Rechtsprechung der Gerichte. Er sagt auch klar, dass das BetmG gilt, auch wenn verfassungsmässig viele Bedenken vorhanden sind. Doch er fordert die Gerichte unmissverständlich auf, die vorhandenen Spielräume im Gesetz zu nutzen und so die Garantien der Verfassung einfliessen zu lassen. Wir meinen, dass dies sicherlich beim Konsum und Vorbereitungshandlungen möglich wäre. Sagt doch Artikel 19 a) 2, dass das Verfahren in leichten Fällen eingestellt werden kann und Artikel 19 b) des BetmG fordert sogar, dass beim Umgang mit geringfügigen Mengen keine Strafbarkeit gegeben ist. Hier hätten die Gerichte einen grossen Handlungsspielraum, den sie gerade in Bezug auf Cannabis nutzen könnten. Denn wenn sie die geringfügige Menge Cannabis auf 500 oder 1000 Gramm pro Jahr festlegen würden, wären 95% der rechtlichen Konsumprobleme gelöst. Heute wird diese geringfügige Menge ja gar nicht angewendet oder auf Grammbruchteile bezogen. Albrecht beklagt denn auch die «Verweigerungshaltung» der Richterschaft gegenüber dem Recht und die Geringschätzung, die diese den verfassungsmässigen Freiheitsrechten entgegenbringt. Das kann nach Albrecht nur eine neue personelle Zusammensetzung des Bundesgerichtes ändern.

Zuletzt geändert: 2023/12/22 21:16

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