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Ein THC-Grenzwert, der nichts mit einer konkreten Bekifftheit zu tun hat. Verurteilungen wegen Fahrens unter Drogen, obwohl der ärztliche Untersuch keine Auffälligkeiten feststellt. Verdacht auf Drogensucht bei drei Konsumationen pro Woche. Kränker gehts nicht?
«Ich weiss nicht, ob ihr mit meiner nachfolgenden Geschichte etwas anfangen könnt, aber ich empfinde das Erlebte als grosse Ungerechtigkeit und auch ziemlich an der Grenze des Erlaubten.
Ich wohne im Kanton Solothurn und wurde am Samstag um 01:00 Uhr in der Nacht von der Polizei bei einer Verkehrskontrolle angehalten. Ich bin fast 30, kam von zu Hause, war also weder gestylt noch aufgedreht und ich war alleine unterwegs, um meinen Mann von der Arbeit abzuholen. Der Kontrolle ging keine Verkehrswidrigkeit meinerseits voraus, sondern es handelte sich um eine Standard-Verkehrskontrolle, wie der Polizist mir bei der Begrüssung erklärt hatte.
Nachdem er kurz meine Papiere überprüft hatte, wollte er gleich von mir wissen, ob ich Betäubungsmittel nehme. Er hat sich nicht für den Zustand meines Fahrzeuges interessiert, sondern fing gleich mit diesem Thema an. Ich habe ihm erklärt, dass ich keine Betäubungsmittel zu mir nehme. Er fragte nach Alkohol und ich habe ihm erklärt, dass ich auch keinen Alkohol zu mir genommen hatte. Er hat nachgefragt, ob ich mir sicher sei und ich habe daraufhin angeboten, einen Alkoholtest zu machen.
Er meinte lediglich, er wolle nicht wissen, ob ich mir sicher sei bezüglich des Alkohols, sondern wegen den Betäubungsmitteln. Nachdem ich drei weitere Male betont habe, dass ich keine Drogen zu mir nehme und ich ihm auch noch auf die Nasenspitze schauen musste, während er mir mit seiner Taschenlampe in die Augen zündete, hat er mich zum Drogen-Schnelltest aufgefordert, da er, wie er meinte, das Gefühl hatte, er rieche Marihuana.
Wohlverstanden, ich nehme keine Drogen zu mir und hatte ihm das bereits mehrere Male gesagt. Ich habe in den Drogentest eingewilligt. Nach ein paar Minuten hat der Beamte auf den Streifen geschaut und noch zwei weitere Male nachgefragt, ob ich sicher sei, dass ich keine Drogen zu mir nehme. Der Test war natürlich negativ, er wollte nur nochmal versuchen, mich zu erwischen, falls ich doch Drogen nehmen würde. Ich wage zu behaupten, dass ich nicht den Eindruck erweckt hatte, Drogen zu mir genommen zu haben und ich finde es eine Frechheit, dass ich mich dermassen dafür rechtfertigen muss, ohne dass mir Glauben geschenkt wird und selbst nach einem negativen Ergebnis des Testes immer noch kein Glauben geschenkt wird.
Ich weiss, dass ein Drogentest nur aufgrund eines dringenden Tatverdachts gemacht werden kann. Dies ist natürlich eine Grauzone, da der Polizist ja das Gefühl hatte, er rieche etwas. Ich habe festgestellt, dass einige Bekannte im Kanton Solothurn ihren Ausweis aufgrund von Marihuana-Restwerten bei einer Polizeikontrolle in den letzten Monaten abgeben mussten. Auch bei mir war das Interesse sofort auf den Drogen. Für den Zustand des Fahrzeuges oder Einnahme von Alkohol hat der Beamte sich nicht interessiert.
Ich bin nicht dafür, dass man Auto fährt, wenn man Marihuana konsumiert hat oder alkoholisiert ist. Aber bei uns im Kanton Solothurn scheint die Polizei im Moment jeden Verkehrsteilnehmer auf Drogen zu testen. Jemand, der Marihuana geraucht hat, muss mehrere Tage auf das Autofahren verzichten, um bei einer Kontrolle nicht den Ausweis aufgrund des Restwertes abgeben zu müssen. Mit Alkohol muss man dies durch die tolerierten 0.5 Promille nicht befürchten. Ich frage mich einerseits, wie zulässig dies ist, andererseits würde es mich interessieren, ob ihr ähnliche Fälle auch schon geschildert bekommen habt? Und dass die Polizei eine grosse Konzentration auf Drogentests legt? (Oh ja, das haben wir!) Ich kam mir vor wie ein Schwerverbrecher und hatte nicht das Gefühl, dass ich mich in irgendeiner Form gegen diese lächerlichen Anschuldigungen hätte wehren können.
Ich hoffe, ihr könnt mit meinem Erfahrungsbericht etwas anfangen. Denn obwohl ich kein Marihuana zu mir nehme, finde ich einen solchen Umgang und Anschuldigungen, wie ich sie erlebt habe, inakzeptabel.»
Ja, so vermiesen die Behörden noch allen das Autofahren. Die ganze Hanfhysterie im Strassenverkehr betrifft nun also auch Menschen, die gar nichts einnehmen. Die Beamten sind einfach fixiert auf solche Verdachtsfälle. Denn es bringt ja auch einen grossen Gewinn: Wem «Fahren unter Drogen» nachgewiesen wird, begeht ein Vergehen, ein schöner Punkt für die Statistik! Statt konkrete Fahrfehler im Verkehr zu suchen und zu ahnden, beschäftigen sich viele Beamte stundenlang mit dem Schikanieren von Leuten, die keine Fahrfehler gemacht haben. Und auch nicht unter dem konkreten Einfluss von THC stehen. Da bleibt wohl nur noch die Hoffnung auf selbstfahrende Autos?
⇒ Wenn ein THC-Grenzwert gelten soll, dann muss er etwas mit der konkreten Beeinträchtigung zu tun haben. Wenn es keinen solchen Grenzwert gibt (und das scheint der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zu sein), dann darf auch nicht einfach irgendein Grenzwert willkürlich festgelegt werden – schon gar nicht ein Grenzwert nahe Null. Es muss auf Blutproben verzichtet werden, stattdessen soll der ärztliche Untersuch (wieder) gelten: Wenn dabei keine Auffälligkeiten festgestellt werden können, dann gibt es eben keine Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit.
⇒ Die generelle Fahreignung wird heute ja schon in Zweifel gezogen, wenn jemand ein paar Mal in der Woche konsumiert. Selbst wenn keine Hinweise vorliegen, dass dieser Konsum in zeitlicher Nähe zum Führen eines Motorfahrzeugs stattfinden würde. Hier muss man darauf hinwirken, dass THC-Konsum schlicht ein normales Verhalten ist, wie auch Alkoholkonsum. Die allermeisten Konsumierenden haben einen verantwortungsvollen Umgang mit der Substanz und führen unter dem konkreten Einfluss von THC kein Motorfahrzeug.
Heute geht der Konsens in der Rechtsmedizin ja davon aus, dass gelegentlicher Konsum ein bis zwei Mal pro Woche ausmacht. Ein nicht mehr gelegentlicher Konsum beginnt schon bei drei Mal Konsum in der Woche – und dieser begründet dann den Verdacht, jemand könnte drogensüchtig sein. Das zeigt die enormen Vorbehalte und Vorurteile gegenüber THC-Konsum in gewissen Kreisen. Die Einnahme von Cannabisprodukten kann, das beweisen tausende Konsumierende jeden Tag, sehr wohl ohne Anzeichen einer Drogensucht geschehen. Diese Leute arbeiten, führen Beziehungen, haben Hobbys, treiben Sport, fahren seit 20 Jahren unfallfrei auf den Strassen: Es ist halt eine normale Freizeitaktivität.
Niemand will, dass Menschen am Steuer Joints drehen und rauchen oder gleich nach dem Konsum wieder ans Steuer sitzen. Solches Verhalten muss und soll eine Gesellschaft nicht dulden. Aber bloss wegen Spürchen von Substanzen – ohne eine konkret feststellbare Beeinträchtigung – Autofahrende wegen Vergehen zu bestrafen und sie zur Abstinenz zu zwingen, wenn sie weiter Auto fahren wollen, das führt eindeutig zu weit. Auch Mischa Hauswirth nennt das in seinem Buch (siehe Kasten oben rechts) eine moderne Form der Hexenverfolgung. Einfach Menschen irgendwelche negativen Eigenschaften andichten, bloss weil ein Messgerät eine Zahl ausspuckt: moderne Quacksalberei.
In diesem Jahr habe ich mich mit einigen Fällen beschäftigt und muss sagen: Wenn an dieser Problematik etwas zum Besseren gewendet werden soll, braucht es sehr viel Geld. Geld für Studien. Geld für Öffentlichkeitsarbeit. Geld für Anwaltskanzleien. Geld für Aktionen. Und Menschen, die das wirklich vorantreiben wollen, die nötige (bezahlte!) Zeit dafür haben und über Jahre dranbleiben können. Denn es geht darum, zehn Jahre Nulltoleranz zu beenden – ein Jahrzehnt, in dem sich ein ganzes System von THC-Intoleranz herausgebildet hat, von dem viele (gut) leben und so über grosse Ressourcen verfügen.
Wir schaffen es ja nur mit grössten Anstrengungen, unsere eine (meine) 60%-Stelle zu finanzieren: Beim Schreiben dieser Zeilen weiss ich nicht, ob ich nun Ende August gekündigt werde oder nicht. Unsere Grossspendensammlung läuft noch, vielleicht gelingt sie, versuchen werde ich es auf alle Fälle. Denn ich weiss: Diese 24 bezahlten Stunden in der Woche sind extrem wichtig für die Rechtsberatungen, für die Infosammlung, für die Aufrechterhaltung des Büros, für das Aktualisieren der Datenbank, für die Medienarbeit, das Recherchieren und Publizieren. Damit überhaupt eine Grundlage da ist, auf der man kämpfen kann. Aber zum Gewinnen bräuchte es noch eine ganz andere Grössenordnung, da müssten wir nicht 75’000 Franken im Jahr umsetzen, sondern einen sechsstelligen Betrag. Aber dies zu erreichen ist (noch?) nicht absehbar.
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