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St. Gallen kennt Ordnungsbussen für THC-Konsum schon länger und sie bewähren sich. Nun gibt es Bestrebungen, dieses Modell gesamtschweizerisch zu verankern. Geht es dabei und eine Verbesserung für die Konsumierenden? Oder um eine Vereinfachung der Verfolgung?
Nach der Ablehnung der Hanf-Initiative ist eine Legalisierung von THC-haltigen Produkten in weite Ferne gerückt. Trotzdem ist das Thema nicht tot: Es konsumieren ja immer noch tausende, es wird importiert, produziert, verkauft… Versteckter als früher, aber die Szene ist nach wie vor aktiv. Und auch die politischen Behörden – denn es gibt noch den zweiten, bisher aufgeschobenen Teil der Teilrevision des Betäubungsmittelgesetzes. Der erste Teil wurde ja am 30. November 2008 von den Stimmenden angenommen, anschliessend hat sich die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) mit der zweiten Etappe beschäftigt und Ende März beschlossen, dass sie eine Kommissionsinitiative starten möchte. Der Inhalt: Ordnungsbussen für THC-Konsum.
Wir haben bereits über das St. Galler Modell berichtet. Statt jeden illegalen Drogenkonsum aufwändig verzeigen zu müssen, spricht die Polizei beim Fund geringfügiger Mengen illegaler Drogen eine Ordnungsbusse aus. Konkret bedeutet das in St. Gallen für Cannabis-Konsumierende: Wer mit einer geringen Menge (wohl unter fünf Gramm) erwischt wird, erhält eine Busse von 50 Franken und damit ist das Thema erledigt. Es findet keine Registrierung statt (und somit auch keine Erhöhung der Busse im Wiederholungsfall). Die gefundenen Betäubungsmittel werden allerdings eingezogen und vernichtet. Zentral ist dabei, dass dieses Regime nur für erwachsene Kiffende gilt, Jugendliche werden sehr wohl erfasst, betreut, in Kurse geschickt – hier will man sehr wohl Präsenz zeigen und «richtig» eingreifen. Ob es nun bei den neuen Diskussionen um genau das Gleiche geht wie in St. Gallen, ist noch offen. Die SGK-NR hat erst einen Grundsatzentscheid gefällt, dass sie etwas machen möchte. Wie genau dann die neuen Vorschriften aussehen werden, darauf können wir gespannt sein.
Nun muss die ständerätliche Schwesterkommission noch ihr OK für diese Kommissionsinitiative geben, doch das sollte nur eine Formsache sein. Dann können die inhaltlichen Klärungen beginnen.
Klar ist, dass jugendliche Konsumierende nach wie vor und eben auch stärker als bisher angegangen werden sollen. Sie werden verzeigt und müssen je nach Entscheid der Jugendanwaltschaft eine Busse bezahlen, einen Arbeitseinsatz leisten oder einen Suchtpräventionskurs besuchen. Das letztere wäre dann wohl die Massnahme der Wahl beim erstmaligem Auffälligwerden; die anderen Massnahmen kämen dann bei weiteren Auffälligkeiten zum Zug, oder wenn der Jugendliche den Kurs nicht besucht. Zu diesem Thema haben sich Lehrerverband, Pro Juventute und die Jugendverbände Gedanken gemacht, die man auch nachlesen kann in ihrem Text: «Trotz Prohibition handeln! Ordnungsbussen für Erwachsene, Früherkennung und Beratung bei Jugendlichen». Was sind die offenen Punkte? Die Details für das Verfahren gegen Erwachsene sind jedoch noch ungeklärt. Offene Fragen sind zum Beispiel: Wann sollen die Ordnungsbussen für Erwachsene genau zur Anwendung kommen? Nur bei Konsum von THC-Produkten? Auch bei Besitz, Kauf, Anbau von THC-Produkten zum Eigenkonsum? Mit einer Mengenbegrenzung auf wie viel Gramm? Könnten allenfalls auch Balkonpflänzchen unter dieses Regime fallen? Wie hoch wären solche Ordnungsbussen (wie in St. Gallen 50 Franken)? Wo würde ein solches Ordnungsbussenmodell rechtlich verankert (im gesamtschweizerischen Betäubungsmittelgesetz oder in den kantonalen Strafprozessordnungen)? Könnten Kantone auch liberalere Modelle anwenden (zum Beispiel Verwarnungen statt Bussen)? Da wird es noch einige Diskussionen geben müssen, die wir natürlich genau verfolgen werden.
Je nach Ausgestaltung und Anwendung des Ordnungsbussenmodells geht es dabei eher um eine Verschärfung der Repression oder um eine teilweise Entkriminalisierung. Das vereinfachte Büssen reduziert den Aufwand einer Bussenausstellung gewaltig – also könnten mit der gleichen Manpower viel mehr Bussen «erarbeitet» werden als heute. Auf der anderen Seite ist eine «gesicherte» Bussenhöhe von 50 Franken für die THC-Konsumierenden in den allermeisten Gegenden der Schweiz eine gewisse Verbesserung gegenüber dem heutigen Zustand (wo zum Beispiel in Zürich die erste Busse, mit Gebühren, für 258 Franken zu haben ist). Diese Mischung aus vereinfachter Repression und einem etwas netteren Umgang mit den THC-Konsumierenden könnte, wie in St. Gallen bereits geschehen, wirklich mehrheitsfähig sein und Realisierungschancen haben.
Aber eine Legalisierung kann ein solcher Vorschlag natürlich nicht ersetzen!
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