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Der Versuch, ein Verbot durchzusetzen, kostet Geld. Zwei Studien versuchen, den Aufwand zu beziffern. Wir vergleichen die beiden Ansätze. Und wir fragen uns: Lohnt sich der Aufwand? Oder wird schlicht Geld zum Fenster herausgeworfen? Klar ist: Es geht um viel Geld.
Laut Betäubungsmittelgesetz ist der Umgang mit THC-Produkten für fast alle vollständig verboten. Darauf stützen sich Polizei und Justiz und produzieren jedes Jahr gegen 40’000 Verzeigungen in diesem Bereich. Die Verfolgung der Handeltreibenden und der Konsumierenden soll dabei nicht Selbstzweck sein. Der Sinn dieses Aufwandes ist, die Kosten fürs Handeltreiben oder Konsumieren so zu erhöhen, dass sich weder Handel noch Konsum lohnen. Es soll also weniger (oder am besten eben gar keine) THC-Produkte im Angebot haben, und die THC-Konsumierenden sollen mit der Repression vom Konsum abgeschreckt werden. Doch aus Vergleichen zwischen unterschiedlich repressiven Ländern weiss man, dass die Stärke der Verfolgung praktisch keinen Einfluss darauf hat, wie viele Menschen schon einmal THC-Produkte konsumiert haben. Diese Lebenszeitprävalenz ist zum Beispiel in Holland (mit einer weitgehenden Duldung von Konsum und Handel) um einiges tiefer als in der Schweiz.
Anders herum gesagt: Konsumiert wird, weil die Konsumierenden dadurch sehr gute Gefühle bekommen. Der THC-Genuss bringt den Konsumierenden also eine Verbesserung ihrer Lebenslage. Der Konsum ist nicht irrational, sondern vernünftig und bringt einen Zugewinn an Lebensgenuss. Daher sind die Konsumierenden ziemlich unempfindlich gegenüber den Verfolgungsmassnahmen. «Legal, illegal, scheissegal» lautet für viele nach wie vor das Motto.
Studien zeigen, dass eine Verdoppelung der Repressionsmassnahmen eine Reduktion des Konsums um rund 16% bringt und eine Verdoppelung der Bussenhöhe sogar nur 0.8% weniger Konsum bewirkt. Obwohl die Verzeigungsraten wegen THC-Konsums seit Jahren immer weiter ansteigen, steigt eben auch die Anzahl der Menschen an, die schon einmal konsumiert hat. Die Repression hat also nicht zur Folge, dass weniger Menschen mit THC-Produkten in Kontakt kommen. Sondern es scheint so zu sein, dass je mehr Menschen verzeigt werden, desto mehr konsumieren auch… Oder umgekehrt, je mehr Menschen konsumieren, desto mehr werden halt verzeigt. Man kann die Zahlen auf beide Arten verstehen. Doch für beide Sichtweisen gilt: Die Repression ist schlicht sinnlos, weil sie ihr Ziel (Angebot und Nachfrage zu reduzieren) klar verfehlt. Allerdings ist sie nicht gratis zu haben, sondern kostet Geld. Geld, das die Steuerzahlenden aufbringen müssen. Geld, das an anderen Orten fehlt und dort etwas Sinnvolles bewirken könnte.
Die Kosten für die Verfolgung des THC-Genusses lassen sich laut der 1. Studie folgendermassen für das Jahr 2003 abschätzen. Die Polizeien der verschiedenen Kantone und Gemeinden (ohne Verkehrspolizei) verbrauchten 2003 etwa 3.4 Mia. Franken. Mit diesem Geld bearbeiteten die Polizeien rund 380’000 Straftaten. Davon sind 37’000 Straftaten rund um THC, also etwa 10%. Dies entspricht mindestens einem Anteil von 340 Mio. Franken. Da es beim THC-Konsum und -Handel jedoch keine Opfer gibt, die (wie bei den meisten anderen Straftaten) ein Interesse an einer Anzeige haben und die Polizeien auf die Straftaten hinweisen, muss die Polizei aktiv auf die Suche nach den StraftäterInnen gehen. Der Aufwand für dieses proaktive Vorgehen wird in der ersten Studie auf das 2.5fache im Verhältnis zu einer sonstigen Verzeigung geschätzt (wo ja häufig eine Anzeige eines Geschädigten die Verfolgung auslöst). Damit geben die verschiedenen Polizeien sogar rund 821 Mio. Franken jedes Jahr für die Verfolgung des THC-Genusses aus. Neben den kantonalen Polizeien gibt auch der Bund rund 300 Mio. Franken für die Repression aus. Davon wird ein Fünftel für Drogenrepression ausgegeben, davon wird wiederum gegen 80% für THC-Repression aufgewendet. Macht also weitere Kosten von gegen 47 Mio. Franken. Die Aufwendungen für die Justiz kommen hinzu, 1.3 Mia. beträgt das gesamtschweizerische Total. Die Strafjustiz, die hier für uns relevant ist, verbraucht davon etwa 30%, davon sind wiederum rund 25% für die THC-Repression. Ergibt also rund 97 Mio. Franken für die THC-Repression. Der Strafvollzug (sowohl die eigentlichen abzusitzenden Strafen wie auch Untersuchungshaft, Häftlingstransport u.a.) braucht rund 771 Mio. pro Jahr. Auch wenn unbedingte Strafen im THC-Bereich nicht sehr häufig sind, wird angenommen, dass rund 75 Mio. für unseren Bereich aufgewendet werden (etwa 10%). Im Total ergeben sich laut der ersten Studie über eine Milliarde Franken, die gesamthaft in der Schweiz 2003 für die THC-Repression aufgewendet wurden.
In der bundesrätlichen Botschaft zur Initiative ist ebenfalls von den Kosten der Repression die Rede. Dort steht: «Die Kosten für Repressionsmassnahmen beliefen sich im Jahr 2003 auf schätzungsweise 74.8 bis 106.5 Mio. Franken.» Wie kommt nun die Verwaltung auf diese viel tieferen Zahlen? Dazu haben wir die zweite Studie organisiert und gelesen, die diese Beträge ausrechnete. Sie geht zwar meistens von den gleichen Grundzahlen aus, kommt aber wegen anderer Annahmen auf viel geringere Beträge. Ganz generell schliesst diese Studie alle Verzeigungen von vornherein aus, in denen es nicht ausschliesslich um THC-Konsum oder -Handel geht, sondern noch weitere illegale Delikte dazukommen (Diebstahl zum Beispiel). Ausserdem geht man hier davon aus, dass eine Anzeige wegen THC-Konsums nur einen Fünftel der Zeit einer Verzeigung wegen harten Drogen ausmacht. Damit ist der Wert für die Ausgaben der Polizeien bei nur rund 60 Mio. Franken. Eine zweite Schätzung der Studie (einfach 20 Prozent der gesamten Kosten für die Verfolgung der illegalen Betäubungsmittel) kommt auf den etwas höheren Wert von gegen 90 Mio. Franken. Dazu kommen die Kosten der nichtkantonalen Polizeien: Grenzpolizei, sonstige Sicherheitsdienste und Bundespolizeistellen. Dies macht hier nochmals drei bis fünf Mio. Franken. Die Gerichtskosten beziffert die zweite Studie auf knapp sieben Mio. Franken. Doch auch hier werden Gerichtsprozesse, in denen es auch noch um andere strafbare Handlungen geht, einfach ganz weggelassen. Im Strafvollzug werden sogar nur ein Prozent der Gesamt-Drogen-Kosten einberechnet, was keine vier Mio. Franken ergibt. Ebenfalls auf ein Prozent werden die Kosten von Diversem veranschlagt (Häftlings-Transport u.ä.), was nochmals eine Mio. ergibt. Total kommt die zweite Studie so auf 74.8 bis 106.5 Mio. Franken, die jährlich für die THC-Repression aufgewendet werden. Das ist gut zehn Mal weniger als in der ersten Studie.
Die zweite Studie unterschätzt die Kosten mit Sicherheit. Nur schon durch ihren Ausschluss aller Gerichtsverhandlungen und Verzeigungen, die noch mit anderem als THC zu tun haben, unterschlägt sie offensichtlich einen Teil der Kosten. Denn auch wenn die sonstigen Straftatbestände auch unter legalen THC-Bedingungen verfolgt werden müssen, so braucht doch auch jede Verzeigung, jeder einzelne Straftatbestand halt seine Bearbeitungszeit. Und damit verursacht er Kosten. Diese Studie hat allerdings einen speziellen Ansatz: Sie will das Einsparpotenzial beziffern, das sich bei einer Legalisierung ergeben könnte und rechnet quasi die «Nettokosten» zusammen. Die erste Studie hingegen versucht, die Gesamtkosten als Vollkosten zu berechnen, quasi als «Bruttokosten». Dabei scheint sie mir um einiges fundierter vorzugehen als die zweite. Die Polizeikosten werden hier vielleicht etwas überschätzt, der Faktor 2.5 könnte zu hoch sein. Unsere Berechnungen (im Kasten Seite 4) deuten auf einen Betrag zwischen den beiden Studien hin. Was jedoch sehr sicher ist: Unser Staat gibt jährlich hunderte Millionen Franken für die Repression gegen THC aus! Und: Auf alle Fälle wird sehr viel Geld in die Repression gesteckt, ohne dass gesellschaftlich gesehen Sinnvolles dabei herauskommt.
Von der THC-Illegalität profitieren ein Teil der Repressionsorgane (nur Dank dem Verbot beziehen sie ihre Löhne) und die Dealer (nur Dank der Illegalität sind sie im Geschäft). Beide Gruppen haben also ein gemeinsames wirtschaftliches Interesse an der heutigen Illegalität. Die THC-Geniessenden und die Gesellschaft hingegen haben ein grosses gemeinsames Interesse an einer Legalisierung. Für die Konsumierenden: Die Qualität wäre besser; es gäbe keine Verfolgung mehr. Für die Gesellschaft: Die Kosten des Konsums würden von den Konsumierenden selber bezahlt und nicht mehr von der Allgemeinheit; es braucht weniger Steuergelder für die Polizei; es gibt weniger Kriminalität.
Es wäre also sehr viel vorteilhafter für die Gesellschaft, wenn THC-Produkte legalisiert würden und in der Höhe der effektiven Kosten besteuert würden: Damit fallen die staatlichen Repressionskosten weg (die Kontrollkosten überwälzt man dem legalisierten Handel), die gesellschaftlichen Kosten des Konsums holt man über die Genussmittel-Besteuerung wieder herein. Dazu nimmt man der ganzen kriminellen Energie, die heute mit dem THC-Handel verbandelt ist, die Basis weg. Man könnte so verunmöglichen, dass kriminelle Banden sich am Handel bereichern und das Geld in weitere Kriminalität investieren können (Terrorismus, mafiose Strukturen). Heute hingegen ermöglicht die sinnlose und ineffektive Repression diese Geldflüsse erst und macht sich daran mitschuldig. Die ganze Gesellschaft, nicht nur die Konsumierenden, wäre bei einer Legalisierung besser dran.
Studie 1 | Baumann, Sheron. Ökonomische Analyse des Schweizer Cannabismarktes. Lizentiatsarbeit an der Universität Bern, 2006. | |
Studie 2 | Jeanrenaud, Claude. Initiative populaire fédérale «Pour une politique raisonnable en matière de chanvre protégeant efficacement la jeuneusse», Analyse de l’impact économique. Institut de recherches économique, Université de Neuchâtel, 2006. |
Wir versuchen eine eigene Einschätzung der Kosten aus der Praxis heraus. Jede Verzeigung wegen THC-Konsums muss entdeckt werden (Annahme: das braucht im Schnitt eine Stunde Patrouille von zwei Beamten), dann muss die Person angehalten, kontrolliert, befragt und zum Unterschreiben des Protokolls bewegt werden. Gelegentlich ist auch eine Mitnahme auf den Posten und eine Leibesvisitation zu organisieren. Ausserdem muss ein Bericht erstellt werden, die beschlagnahmten Gegenstände müssen abgelegt und später vernichtet werden, die Geschäftskontrolle muss erledigt werden (Annahme: im Schnitt zwei Stunden Arbeit für zwei Beamte). Dann muss ein Strafbefehl formuliert und erstellt werden, versandt werden und das Inkasso überwacht und gelegentlich Betreibungen und Ähnliches organisiert werden (Annahme eine Stunde Arbeit). Total kommen so sieben Stunden zusammen, mal 35’735 Verzeigungen (Jahrgang 2005), mal 150 Franken (geschätzte Gesamtkosten einer polizeilichen Arbeitsstunde) ergibt somit 37,5 Mio. Franken. (Die Kosten für Ausbildung, Besprechungen, Arbeitsmaterialien, Dokumentation, Ferien und Ähnliches sind in den obigen Vollkosten-Annahmen enthalten.) Für die 3’322 Verzeigungen wegen THC-Handels schätzen wir den Aufwand auf 415 Stunden pro Fall (Allgemeines/Dossierführung 20, persönliche und telefonische Überwachungen 70, Übersetzungen 10, Vorladungen 5, Befragungen der Beschuldigten und ZeugInnen 40, Hausdurchsuchungen und Razzien 80, Untersuchungshaft 20, Anklageerhebung 20, Gerichtssitzungen aller Instanzen inkl. Vorbereitung 100, Vollzug 50). Ergibt also: 415 x 150 x 3’322 = rund 207 Mio. Franken. Damit schätzen wir die Gesamtkosten auf mindestens 250 Mio. Franken pro Jahr, was zwischen den beiden zitierten Studien liegt.
Hier wird also ein Markt, auf dem rund eine Milliarde Franken pro Jahr umgesetzt werden (für diese Schätzung siehe Legalize it! Ausgabe 38, Seite 6), mit hunderten Millionen Steuerfranken pro Jahr bekämpft. Das dürfte dann wohl ein gutes Beispiel für Verhältnisblödsinn sein. Die Höhe der gesellschaftlichen Kosten des THC-Konsums beträgt etwa 189 Mio. Franken im Jahr, wenn man annimmt, dass pro konsumierten Joint ähnlich hohe Kosten wie für den Konsum einer Zigarette anfallen. Diese Kosten deckt der Schwarzmarkt aber überhaupt nicht. Diese muss die Gesellschaft zusätzlich, zu den Repressionskosten, berappen. Damit wird die Repression gegen THC endgültig absurd:
• Erstens reduziert sie die Kontaktaufnahme mit THC-Produkten nicht.
• Zweitens kostet sie hunderte Millionen Franken im Jahr.
• Drittens sind die gesellschaftlichen Kosten des Konsums tiefer als die Repressionskosten.
Man gibt also mehr Geld aus, um das «Übel» zu bekämpfen, als dieses überhaupt kostet. Und erreicht damit nicht einmal eine Verkleinerung dieses «Problems», das die Betroffenen selbst als etwas höchst Angenehmes erfahren.
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