Alles Psychoaktive soll gleich behandelt werden

Psychoaktiv.ch will alle Genussmittel gleich behandeln. Ob legal oder illegal – alle Drogen kann man gebrauchen und missbrauchen. Also sollte man die Illegalen legalisieren und die Legalen strenger regulieren. Aber vielleicht werden einfach die Legalen zu Illegalen?

Die Kommission

Die Eidgenössische Kommission für Drogenfragen EKDF ist eine Kommission des Bundes. Sie gründet auf Artikel 30 des Betäubungsmittelgesetzes und gab immer wieder Berichte (unter anderem den Cannabisbericht von 1999) zu ihrem Kernthema, den illegalen Drogen, heraus. Die Kommission will nicht die Scherben zusammenkitten, die der Nationalrat mit seinem Nein zum Revisionsvorschlag hinterlassen hat. Nein, sie will mehr auf einer allgemeinen Ebene nachdenken und Vorschläge machen. Die konkrete politische Umsetzung ist nicht ihr Ding.

Der erste Teil

Zunächst widmet sich die EKDF der Vergangenheit. Sie meint, dass in den 60er- und 70er-Jahren vermehrt psychoaktive Substanzen konsumiert wurden. Dabei lässt sie (entgegen ihren späteren Verlautbarungen) völlig ausser Acht, dass Alkohol und Tabak auch in diesen Zeiten weit verbreitete Genussmittel waren. Damals aufgekommen sind natürlich vor allem neue Drogen, etwa die Cannabisprodukte. Auch die Meinung der Kommission, dass erst das Angebot die Nachfrage nach solchen Stoffen geschaffen hat, kann man mit gutem Gewissen bezweifeln. Denn die verschiedenen Stoffe werden von Menschen konsumiert, weil sie ihnen gut tun. Diese für die meisten Konsumierenden positiven Erfahrungen mit den verschiedenen, neuen Stoffen führte zu einem grösseren Angebot. Immerhin gibt die Kommission zu, dass die Menschen seit Jahrtausenden Psychoaktives konsumieren und damit ihren «Körper- und Gefühlshaushalt beeinflussen». Dabei erkennt die EKDF, dass der Umgang einer Gesellschaft mit ihren Drogen nur selten deren Gefährlichkeit entsprach. Es sind nie rationale Überlegungen gewesen, nach denen psychoaktive Stoffe beurteilt wurden, sondern es waren immer sehr ideologische Begründungen, warum gewisse Substanzen verboten und andere erlaubt wurden und werden. Doch dann leistet sich die Kommission einen gröberen Schnitzer, wenn sie meint, dass die Konzentration auf die harte Drogenszene in den 80er-Jahren zur «faktischen Tolerierung des Konsums weicher Drogen in der Deutschschweiz» geführt habe. Die Statistik zu den Konsumverzeigungen beweist genau das Gegenteil: Die Zahl der Anzeigen gegen Kiffende steigt auch in diesen Jahren stark an. Richtig ist ihre Erkenntnis, dass in den 90er-Jahren in sehr grossem Masse in der Schweiz selber Hanf angebaut wurde. Doch dann kolportiert sie wieder das Märchen, dass dabei extrem hohe THC-Gehalte erzeugt worden seien. Fakt ist, dass gutes Gras und guter Hasch schon immer hohe Gehalte an THC aufwiesen. Neu war einzig, dass auch Schweizer Outdoor-Hanf, vor dem Boom als Heu verschrieen, qualitativ immer besser wurde und dem Importhasch bald ebenbürtig war, geschmacklich diesen sogar übertraf. Auch die Meinung der Kommission, dass «erst seit Juni 2004 die Repression wieder verstärkt wurde», geht ziemlich an der Realität vorbei. Die Repression gegen die Läden begann bereits Mitte der 90er-Jahre langsam und legte nach dem Entscheid des Bundesgerichtes im Jahr 2000 einen gewaltigen Zacken zu. Nach Kantonen unterschiedlich zwar, aber Mitte 2004 waren die allermeisten Hanfläden und Hanfproduzenten schon tief in harte Strafverfolgungen verstrickt. Razzien, Beschlagnahmungen und Untersuchungshaft sind seit Jahren an der Tagesordnung. Stark kritisiert wird der Bundesrat, weil er die alten Vorschläge der Fachleute, alle Suchtmittel in die Prävention einzubeziehen, fallen liess. Doch die legalen Alkdealer wehrten sich damals erfolgreich gegen die Bezeichnung «Suchtmittel» für ihre Genussmittel.

Der zweite Teil

Nun befasst sich die Kommission mit dem aktuellen Stand des Wissens über die verschiedenen Stoffe. Sie unterscheidet beruhigende (Alkohol, Opiate), stimulierende (Koffein, Nikotin, Kokain) und halluzinogene Substanzen (Cannabis, LSD). Soweit kann man der EKDF folgen. Vor allem, wenn sie beifügt, dass die konkreten Effekte auf verschiedene Menschen stark variieren können. Gut ist auch die Unterscheidung zwischen risikoarmem Konsum (der gut unter Kontrolle ist), problematischem Konsum (gesundheitsschädigend, mit konkreten negativen Folgen auf Körper, Geist und soziales Umfeld) und Abhängigkeit (die einen Kontrollverlust bei den Konsumierenden bewirkt, so dass sie konsumieren, obwohl sie wissen, dass es ihnen nicht gut tut). Gut ist ebenfalls, dass sie sich für eine allgemeine Gesundheitsförderung ausspricht, und nicht mehr auf einzelnen Stoffen herumhacken will, sondern eben den problematischen Konsum bekämpfen will. Dann tönt es etwas danach, dass die Kommission wenigstens der Meinung ist, dass der Konsum und die Vorbereitungshandlungen straffrei werden könnten. Aber sogleich folgt der Satz: «Durch die Gleichstellung aller psychoaktiven Substanzen wäre für die Verbotsnormen der Betäubungsmittelgesetzgebung wahrscheinlich ein Gewinn an Legitimation zu erwarten.» Es gehe der Kommission darum «Repression, Selbstverantwortung und staatliche Steuerung aufeinander abzustimmen und zu verbinden». Also doch mehr Repression?

Der dritte Teil

Schliesslich kommt die Kommission zur Zukunft und da fällt zum ersten Mal auf Seite 54 ein konkreter positiver Satz über den Konsum: «Künftig ist zu berücksichtigen, dass der Konsum einer Substanz auch positive Wirkungen für die Konsumierenden hat.» Und: Die Repression soll sich nicht gegen Konsumierende richten, findet die EKDF, immerhin. Es gibt schöne, gute Sätze in dem Bericht. Etwa, dass die neu von der Kommission vorgeschlagene übergreifende Suchtpolitik

grundsätzlich auf die Unterscheidung in legale und illegale Drogen verzichten soll. Dafür aber Möglichkeiten aufzeigen muss, um die unerwünschten Folgen des Konsums zu minimieren. Es soll also nicht mehr wie beim Verbot des Cannabiskonsums die individuelle Freiheit unbegründet eingeschränkt werden, sondern nur noch dort, wo die Einschränkung im übergeordneten gesellschaftlichen Interesse liegt. So schlussfolgert die Kommission für die Cannabisprodukte, dass das «Verbot jeglichen Konsums unausgesprochen davon ausgeht, dass es überhaupt keinen risikoarmen Konsum dieser Substanz gebe. Dass dies falsch ist, hat sich in den letzten Jahren vermehrt im Bewusstsein der Bevölkerung eingeprägt. Heute gehen die Fachleute in der Regel sogar davon aus, dass die meisten Konsumierenden unproblematische, risikoarme Konsummuster aufweisen.»

Was bleibt übrig?

Konkrete Empfehlungen gibt die Kommission keine. Ebenso wenig überlegt sie sich, wie denn Mehrheiten für ihre neue Politik gefunden werden könnten. So ist zu befürchten, dass die positiven, freiheitlichen Ansätze vergessen gehen werden, jedoch Sätze wie «ein Verbot von Produktion, Handel und Konsum käme auch für gewisse heute noch legale psychoaktive Substanzen in Frage» umgesetzt werden. Dieser Satz zeigt, wohin es wahrscheinlich gehen wird (und was die Kampagnen gegen das Zigarettenrauchen in der Öffentlichkeit zurzeit ebenfalls demonstrieren): Es geht schon in Richtung Gleicherbehandlung von legalen und illegalen Stoffen. Doch es geht nicht in Richtung Legalisierung der Illegalen, sondern Illegalisierung der Legalen!

www.psychoaktiv.ch

«Von der Politik der illegalen Drogen zur Politik der psychoaktiven Substanzen», Arbeitsversion vom Mai 2005, 81 Seiten. Ab September 2005 wurde die Internetseite www.psychoaktiv.ch aufgeschaltetn, ab November liegt der Bericht als Buch vor. Der Link führt nun (Juni 2009) zum Bundesamt für Gesundheit.

Zuletzt geändert: 2023/12/22 21:16

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