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In Basel hat man genug vom Warten auf die grosse BetmG-Revision. Ein interdepartementaler Bericht von 2004 analysiert die Situation rund um Hanf und schlägt konkrete Massnahmen vor. Die ganze Basler Verwaltung soll sich daran orientieren können.
«Der vorliegende Kantonale Cannabis-Bericht wurde in enger Kooperation mit sämtlichen, in die Cannabis-Problematik involvierten Verwaltungsstellen erarbeitet und stellt somit eine ‘unité de doctrine’ der Basler Verwaltung dar», heisst es in der Einleitung zum Basler Bericht. Es sind auch tatsächlich sehr viele Amtsstellen in die Ausarbeitung dieses Berichtes einbezogen worden: Regierungsräte aus Sanitätsdepartement, Polizei- und Militärdepartement, Justizdepartement, sowie die Leiterinnen und Leiter des Gesundheitsdienstes, der Abteilung «Jugend, Familie, Prävention» und des Stabes «Ressort Schulen». Ausserdem der Polizeikommandant und der Erste Staatsanwalt. Die Liste zeigt, dass die relevanten Personen und die entscheidenden Ämter hinter diesem Bericht stehen. (Sogar der Leiter «Stadtgärtnerei und Friedhöfe» war dabei . . . )
Nun zählt der Bericht einige Fakten zur aktuellen Situation auf: Cannabiskonsum ist weit verbreitet; es gab einen Wechsel von (importiertem) Haschisch zu (inländischem) Gras; es gibt Risiken beim Kiffen, aber sie sind nicht grösser als beim legalen Alkohol und Tabak. «Die Risiken des Cannabis-Konsums sind in besonderem Masse personen- und verhaltensspezifisch.» Das kann man nur unterschreiben: Es gibt Kiffende, die keinen vernünftigen Umgang mit den THC-Produkten gefunden haben. Es gibt aber viele, die ihren Konsum verantwortlich gestalten. Dann folgen einige offene Worte zur Repression gegen die Läden: «Zwischen Oktober 2002 und Ende Januar 2003 wurden von Staatsanwaltschaft und Polizei intensivierte Massnahmen gegen die Cannabis-Läden durchgeführt. Von 87 ermittelten Läden waren Ende Januar 2003 noch 11 in Betrieb.» Dass es immer noch einige Läden gibt, begründet der Bericht mit den beschränkten personellen Mitteln, die für die Strafverfolgung zur Verfügung stehen.
Weiter hält der Bericht fest, dass immer mehr Jugendliche kiffen, dass diese Jugendlichen aber auch immer öfter zu Alkohol greifen. Und: «Cannabis-Konsum kann heute kaum mehr mit subkultureller Zugehörigkeit oder gesellschaftlichen Normbrüchen assoziiert werden. Er wird vielmehr – im Einklang mit Alkohol und Tabak – mit den auch bei den Erwachsenen weit verbreiteten und geschätzten ‘Socializer-’ und Entspannungsfunktion dieser Substanzen assoziiert. Aufgrund verschiedener Repräsentativstudien kann davon ausgegangen werden, dass die überwiegende Zahl aller Cannabis-Konsument/-innen einen experimentellen oder gelegentlichen Konsum betreibt, ohne dass hier gesundheitsrelevante Problemlagen entstehen. Die Cannabis-Konsument/-innen kommen aus allen sozialen, demografischen und bildungsspezifischen Gruppen. Personen, die infolge exzessiven Konsums eine Abhängigkeit entwickeln, weisen häufig Defizite persönlicher und sozialer Ressourcen auf.»
Zum Betäubungsmittel-Gesetz hält der Bericht fest: «Der Handel mit Cannabis und der damit in Zusammenhang stehende Anbau wird in Basel auf Grund der zwingenden Bestimmungen des geltenden Betäubungsmittelgesetzes konsequent verfolgt. Repressive Massnahmen gegen einzelne Cannabis-Läden sind deshalb weiterhin möglich und nötig. Konsum von Cannabis und mit dem Konsum in Zusammenhang stehende Taten stellen Übertretungen dar, für deren Verfolgung das Opportunitätsprinzip angewendet wird. Gegen jugendliche Cannabis-Konsument/-innen führt die Jugendanwaltschaft bei Bekanntwerden des Konsums Verfahren durch.» Hier wird also eine Triage gemacht: Handel immer verfolgen (soweit die Kapazitäten es zulassen), Konsum wird eigentlich nicht verfolgt, ausser es betrifft Jugendliche, bei denen man nicht einfach zuschauen will. Doch was genau bedeutet hier «Opportunitätsprinzip»?
Nachdem sich der Bericht für die laufende BetmG-Revision ausspricht und auch die bestehenden Hilfsangebote für Jugendliche mit Suchtproblemen besser zugänglich machen will, kommt der erste eher theoretische Teil zum Schluss: «Bis zum Inkrafttreten des neuen Betäubungsmittelgesetzes wird die allgemeine Lage unweigerlich weiterhin geprägt sein von Unsicherheiten und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf eine kohärente Cannabis-Politik. Eine klare Haltung des Kantons resp. der entsprechenden Behörden soll dazu beitragen, dass die Zahl dieser Unsicherheiten und Widersprüche reduziert und jene, die unvermeidlicherweise übrig bleiben, klar kommuniziert und begründet werden können.»
Dann folgen einige Eckwerte der Basler Cannabis-Politik: «Basel-Stadt verfolgt eine pragmatische Cannabis-Politik mit dem Ziel der Trennung von weichen und harten Drogen», «Dabei besteht eine Prioritätenregelung mit dem Fokus auf die Verfolgung des Handels mit harten Drogen (insbesondere Heroin und Kokain)», «Die Prioritäten bei den Massnahmen zum Cannabis-Konsum liegen in den Bereichen Prävention, Jugendschutz sowie Beratung und Hilfe. Die Massnahmen zielen auf die Problembereiche Früheinsteiger/-innen, problematischer Konsum bei Jugendlichen, exzessiver Konsum und weitere Risikokonsumformen». Bemerkenswert: Hier ist ja nichts über die Repression zu lesen? Also wirklich eine umfassende Entkriminalisierung?
Dann folgt der Massnahmenplan, jetzt wird es richtig konkret. Zur Repression meint der Bericht: «Repressive Massnahmen gegen einzelne Cannabis-Läden sind weiterhin möglich und nötig. Die Befolgung der Prioritätenregelung wird aber zwangsläufig zur Folge haben, dass eine kleine Anzahl von Cannabis-Läden weiterhin bestehen bleibt. Sollte die Zahl der Cannabis-Läden wiederum ansteigen, wird die Staatsanwaltschaft zwecks erneuter Reduzierung die Möglichkeit eines konzentrierten Personaleinsatzes, verstärkt durch Angehörige der Kantonspolizei, gegen die Cannabis-Laden-Szene prüfen müssen.» Das ist wohl die ehrlichste Einschätzung über den Umgang mit den Hanfläden, die ich je von offizieller Seite gehört habe. Grundsätzlich wird der Handel mit Hasch und Gras verfolgt. Aber nicht in erster Priorität, sondern in zweiter oder dritter. Und zum Konsum meint der Bericht: «Der Konsum wird in Basel wie bis anhin nur dann gezielt strafrechtlich verfolgt, wenn sich auf Grund besonderer Umstände dafür eine Notwendigkeit ergibt (z.B. Belästigung von Öffentlichkeit und Anwohner/-innen durch eine Konsumentenszene oder gleichzeitiger Verdacht des Handels mit Cannabis).» Hier steht die konkrete Fassung des Basler Opportunitätsprinzips: Konsum ist zwar verboten, wird aber teilweise nicht verfolgt. Wobei die Kriterien für diese Nichtverfolgung schon sehr schwammig sind. «Belästigt» jetzt ein einzelner Kiffer an einer Tramstation die anderen Leute und wird dann doch ein Verfahren angestrengt? Muss man irgendwo allein am Rhein stehen und wenn dann der Rauch niemanden stresst ist es ok? Da bleibt der Polizei ein grosser Spielraum. Aber immerhin ist es die allererste Fassung eines konkreten Opportunitätsprinzips. Es ist sozusagen die minimalste Form einer Teil-Entkriminalisierung des Konsums. Das gilt jedoch nur für Erwachsene. «Gegen jugendliche Cannabis-Konsument/-innen führt die Jugendanwaltschaft bei Bekanntwerden des Konsums Verfahren durch, wobei der Grundsatz gilt, dass desto mehr unternommen wird, je jünger und je häufiger ein/-e Unmündige/-r Cannabis konsumiert hat. Konsequenzen sind Information der Eltern und geeignete jugendrechtliche Sanktionen (Verweis, Bussen und in Zukunft vor allem obligatorische Teilnahme an Kursen, um sich dort mit dem eigenen Konsum und der Lebenssituation auseinanderzusetzen).»
Diese Sichtweise aus Basel könnte in der ganzen Schweiz, mindestens in den Städten, Schule machen. Es wird wohl das sein, was maximal möglich ist, bis das neue BetmG in Kraft tritt (wenn es nicht vom Nationalrat doch noch versenkt wird). Beim Handel gibt es kaum Spielräume: Wer einen Laden eröffnet, hat früher oder später eine Razzia zu gewärtigen. Wobei der Laden durchaus ein paar Monate laufen kann. Beim Konsum wird immer stärker auf die auffälligen Kiffenden fokussiert: Die ganz Jungen; solche, die weitere Probleme verursachen oder diejenigen, die ganz viel konsumieren. Der Berner «Bund» hat zu diesem Bericht geschrieben: «Normalkiffer sollten nicht ausgegrenzt werden.» Ein wunderbares Wort, «Normalkiffer». Wenn man uns THC-Geniessenden wirklich nicht mehr ausgrenzen will, dann muss das BetmG geändert werden, daran führt kein Weg vorbei. Aber immerhin: Wer zu Hause kifft, niemanden damit stresst, erwachsen ist und nicht allzu viel THC aufnimmt, wird nicht aktiv verfolgt. Das ist nicht genug, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Zunächst lediglich in Basel . . .
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