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Unser Hanfstübli: Ein erfolgreiches erstes Jahr

Als wir am 22. August 2023 den ersten Mitgliedern Cannabis aushändigen durften, waren wir sehr erleichtert, diesen Meilenstein erreicht zu haben. Ein Jahr später haben sich die Abläufe eingespielt und wir sind ein sehr ­erfolgreicher Teil des Pilotprojekts!

Die überbordende Bürokratie, übertriebene Vorsicht seitens der Behörden und die langwierige, aber schlussendlich erfolglose Suche nach einem ­eigenen Vereinslokal machten es uns anfangs sehr schwierig, das Projekt überhaupt zu starten. Doch das Durchhalten hat sich bezahlt gemacht. Nun, ein Jahr nach dem Start, nach einigen Verhandlungen, viel Kompromissbereitschaft und Entwicklung, sind wir ein kleiner, aber wichtiger Teil des Zürcher Pilot­projekts.

Viele Kilos gingen über den Tresen

Über 2’800 Packungen à 5 Gramm, also mehr als 14 ­Kilogramm Cannabis-Blüten oder Hasch, verkauften wir im ersten Jahr an unsere mittlerweile über 120 Mitglieder. Wir haben vor Projektbeginn über Umfragen ermittelt, dass jedes Mitglied pro Monat im Durchschnitt etwa 10 Gramm Cannabis beziehen würde. Wir sind froh, dass wir unsere ­Finanzplanung anhand der Umfrageergebnisse entwickelt haben: In der Realität ­kaufen unsere Mitglieder durchschnittlich 11 Gramm pro Monat – Punktlandung!

Eine überschaubare Produktpalette

Am Anfang waren nur wenige Sorten überhaupt lieferbar. Insbesondere unsere Hasch-Fans konnten die ersten Produkte, Lemon Resin und Sour Pollen, nicht überzeugen. Hasch sind sich unsere Studien­teilnehmenden anders gewöhnt – so verkauften wir diese Produkte fortan als «Haschisch-Taler» (Fachbegriff: Pressed Pollen). Ende Jahr kamen mit Grand Marais und Jura Gold zusätzlich zwei neue Hasch-Sorten, welche die Bezeichnung ver­dienten.

Aktuell gibt es acht Sorten Cannabis-­Blüten, zwei Sorten Hasch und zwei Pressed Pollen. Das Angebot ist überschaubar, aber es kann dem Schwarzmarkt qualitativ die Stirn bieten. Die Hersteller sind immer ­bestrebt, die Produkte noch zu verbessern. Wir freuen uns auf die zwei neuen ­Blüten-Sorten, welche in den nächsten ­Monaten eingeführt werden.

Ein schönes Miteinander

Die anfänglichen Hürden und Fehlerquellen konnten wir schnell in den Griff bekommen und insbesondere dank Michaels Online-Shop gute Lösungen finden. Das Hanfstübli-Team um Sven, Sonia, Michael, Markus und Helmut ist hochmotiviert und kann effizient zusammenarbeiten. Es macht uns allen sichtlich Freude und nach und nach haben wir auch unsere Mitglieder besser kennen und schätzen gelernt. Die Stimmung ist sehr gut und bisher sind keine wesentlichen Ereignisse zu ­melden. Vereinzelt gab es aufgrund der Antworten in der halbjährlichen Online-­Befragung bei manchen Mitgliedern ein Klärungsgespräch mit dem Studienarzt. Meistens handelte es sich um ein Missverständnis. Nur eine einstellige Anzahl Mitglieder hat ihre Teilnahme an der Studie wegen medizinischer Gründe, Wegzug, ­finanzieller ­Situation oder Ähnlichem ­beendet. Die Anzahl der Mitglieder hat sich nach dem anfänglichen Boom stabilisiert. Weiterhin nehmen wir etwa drei neue Mitglieder pro Monat auf. Wir haben auf grosse Werbekampagnen verzichtet; die meisten neuen Mitglieder kommen aus dem Umfeld der bestehenden Mitglieder. Die Suche nach einem eigenen Vereinslokal haben wir nach über einem Jahr wegen Chancenlosigkeit eingestellt. Stattdessen ist unser Verkaufsladen im Basislager als Standort bis zum Ende der Studie bewilligt. Auch ohne gemeinsamen Konsumraum werden wir dem «Social»-Aspekt im Namen «Cannabis Social Club» gerecht, indem wir ­laufend Veranstaltungen, Ausflüge und ­andere Formen von Mitglieder-Austausch durchführen.

Kreatives Experimentieren

Gerne hätten wir die Teilnehmenden in einem Konsumraum für das Verdampfen statt Rauchen begeistern wollen. Dieses Anliegen haben wir nun kreativ trotzdem umgesetzt: Seit Jahresbeginn haben unsere Mitglieder die Möglichkeit, verschiedene hochwertige Vaporizer für wenig Geld auszuleihen und so das Verdampfen in Ruhe daheim zu testen.

Im Juni konnten wir eine Bühne vor unserem Vereinslokal erstellen. Wir nennen sie «Bühne beim Wäldli», weil dieses kleine Wäldchen zwei Basislager-Gebäude voneinander trennt und als kleine Waldinsel unseren Basislager-Alltag prägt. Zwischen Aufführungen und Veranstaltungen ist diese Terrasse seit Juni 2024 mit Tischen und Sitzgelegenheiten ausgestattet und lädt zum gemütlichen Verweilen ein.

Sommerfest

Ein Highlight im 2024 war unser Sommerfest, welches wir zusammen mit unseren Freunden vom Züri City Social Club organisiert haben. Dieser Club startete deutlich später als wir und hat somit noch deutlich weniger Mitglieder. Daher haben wir uns solidarisiert: Züri City hilft uns beim Fest, wir übernehmen dafür die Finanzierung.

Auf den 13. Juli haben wir die Studienteilnehmenden der verschiedenen Social Clubs zu uns aufs Basislager-Areal eingeladen, um sich gemütlich bei Getränken, Grillieren, Live-Band und mehreren guten DJs auszutauschen. Die Stimmung war super und die Mitglieder, welche sich häufig eher flüchtig vom Sehen kannten, konnten sich näher kennenlernen. Besonders gefreut hat uns, wie schön sich unsere Teilnehmenden eingebracht haben. Die einen lieferten Beleuchtung und Deko, andere machten Salat oder halfen lange am Grill, und gegen Ende lieferte ein Mitglied sogar einen spontanen Beatbox-Auftritt!

Danke an alle, die dabei waren – und natürlich vor allem an alle Helfenden!

Ein kleiner Verein wie viele andere

Würden die Ämter uns mehr machen lassen, uns weniger Restriktionen auferlegen, könnten wir mehr Mitglieder aufnehmen. Würden wir einen Standort finden mit Konsummöglichkeit: Ja, dann könnte man noch so einiges machen und realisieren.

Doch es zeigte sich: Social Clubs sind klas­sische, kleine Vereine, gebildet um eine Gruppe von Menschen, die unbedingt etwas machen wollen, an das sie wirklich glauben. Aber das verlangt allen viel ab. Ein Grossteil der Arbeit, zusätzlich zum ­teilweise bezahlten Pensum, wurde ehrenamtlich geleistet. Für einige vom Team ­bedeutet das gut und gerne hunderte Stunden im Jahr. Auch die ­Finanzen betrachtend zeigen sich die klassischen Strukturen kleiner Vereine. Denn obschon das Hanfstübli durch den gut laufenden Verkauf mittlerweile ­finanziell stabil aufgestellt ist, war die ­Anfangsphase nur möglich durch zweckgebundene ­Spenden, die beim Verein ­Legalize it! für die Durchführung des ­Pilotprojekts eingegangen waren sowie das günstige Untermietverhältnis von Sonias privatem Arbeits­studio.

Deutsche Cannabis Social Clubs werden es schwer haben

Mit unserem Hanfstübli haben wir bereits erste Erkenntnisse gesammelt, wie sich das Vereinsleben in einem klar strukturierten und stark reglementierten Umfeld anfühlt. Die in Deutschland seit Juli möglichen ­Cannabis Social Clubs werden es deutlich schwerer haben, denn die deutschen ­Regeln sind nochmals strenger. Während wir schöne Cannabis-Produkte von erfahrenen Produzenten einkaufen können, muss in Deutschland selbst angebaut werden – ohne Profitmöglichkeit und mit extrem viel Kontrolle.

Nur wenige Vereine werden die nötigen ­aktiven Mitglieder finden, die genug Know-how und Ausdauer mitbringen, um solch eine aufwändige Aufgabe permanent am Laufen zu halten. Zu Beginn ist mit hohen Investitionskosten zu rechnen und es wird unter dem Strich für viele nicht rentabel sein. Ob das den Schwarzmarkt konkurrieren kann? Es wird aber sicher eine Möglichkeit sein, Menschen mit Tatendrang, die mit beiden Beinen im Leben stehen, den ­(gemeinsamen) Eigenanbau in einem ­sicheren Rahmen zu ermöglichen.

Im Züri Can Projekt haben wir das schon eindrücklich gesehen: Ein Social Club musste das Projekt bereits vorzeitig ­aufgeben.

Traurige Gewissheit: Das Stigma währt am längsten

Eigentlich ist die Legalisierung ja unser aller grosses Ziel. Doch die Erfahrungen in diesem legalen Pilotprojekt zeigen, dass die rechtliche Situation schlussendlich nur ein kleiner Aspekt davon ist, wie in der ­Gesellschaft mit Cannabis umgegangen wird!

Immer wieder erlebten wir Vorurteile, ­Diskriminierung und Ausgrenzung. Bei der Immobiliensuche haben wir trotz eines emissionsarmen Konzeptes immer wieder Absagen und Ghosting erlebt, regelmässig wurden wir sogar mit Beleidigungen und Einschüchterungsversuchen konfrontiert! Die Finanzinstitute wollten uns keine ­Kreditkartenzahlungen erlauben. Nur durch das Ebnen des Wegs durch die Studienleitung hat sich TWINT zu einer Zusammenarbeit bereit erklärt. Versicherungen haben uns abgelehnt – und selbst nachdem wir eine Sachversicherung abschliessen konnten, mussten wir feststellen, dass dieselbe Versicherungsgesellschaft uns eine Haftpflicht­versicherung verweigerte. Daran zeigt sich sehr klar: Wenn Cannabis irgendwann legal ist, sind wir noch lange nicht fertig. Unsere Mitmenschen müssen informiert, Vorurteile abgebaut und Türen geöffnet werden, damit tatsächlich eine ­legale Hanfkultur entstehen kann.

Die Zeit nach dem Hanfstübli bleibt ungewiss

Das Hanfstübli als Teil des Stadtzürcher ­Pilotprojekts Züri Can wird sicher die ­geplanten drei Jahre lang Cannabis ver­kaufen. Was danach geschieht, ist noch nicht geklärt. Aktuell müssen wir davon ausgehen, dass das Hanfstübli sowie alle anderen Bezugsstellen des Züri Can-Projekts dann ihre Tätigkeiten komplett einstellen.

Die Teilnehmenden wären somit gezwungen, sich wieder auf dem Schwarzmarkt zu versorgen, mit allen damit verbundenen Risiken. Theoretisch könnte das Projekt mit dem Goodwill von Stadt, Universität und BAG bis allerspätestens Mai 2031 verlängert werden. Spätestens dann müsste sich eine Regelung etablieren oder eine ­Gesetzesänderung in Kraft treten, um schweizweit nicht tausende Teilnehmende zurück auf den Schwarzmarkt zu drängen. Die parlamentarische Initiative von Heinz Siegenthaler ist momentan die vielver­sprechendste Entwicklung in die richtige Richtung. Doch selbst wenn diese Bestrebungen Erfolg haben werden, ist kaum mit einer Umsetzung vor dem Ende der Pilotprojekte zu rechnen. Wir setzen uns dafür ein, dass es eine Anschlusslösung gibt!

Hanfstübli

Zuletzt geändert: 2024/12/06 14:41

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