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Ein zweiter Schritt zur Normalisierung von Hanf als Medizin

Die medizinische Verwendung von Cannabis ist zurzeit nur in bewilligten Ausnahmefällen legal (siehe oben). Nun liegen Änderungsvorschläge zur Vernehmlassung vor. Die Restriktionen sollen ge­lockert werden, aber es gibt keinen Freipass für Kranke.

Ausnahme oder übliches Medikament?

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat viele Ausnahmebewilligungen für Cannabismedizin erteilt: Von 2012 bis 2018 waren es über 12’000, davon 7’575 erstmalige sowie 4’500 Verlängerungen.

Im Prinzip dürfte Hanfmedizin nur in Ausnahmefällen bewilligt werden. Hanf ist im BetmG ja unter den verbotenen Stoffen aufgeführt, die eigentlich einem umfassenden Verkehrsverbot unterstehen (totale Prohibition). Erst seit 2011 wurde mit der damaligen BetmG-Revision eine Ausnahmenutzung von Hanf in der Medizin ermöglicht (das ist ein Widerspruch, klar, aber es war der erste Schritt in Richtung medizinische Nutzung von Cannabis in der Schweiz).

Die zahlreichen Fälle scheinen der Verwaltung Sorgen zu bereiten – aber nicht, weil die Kranken nach wie vor nur mit Mühe und hohen Kosten ihre Medizin erhalten, sondern vielmehr, weil diese Anzahl keinen Ausnahmecharakter mehr habe. Nun brauche es eine Gesetzesänderung, um weiterfahren zu können.

Medizinalhanf wie Morphin

Wie gesagt: Die Bedürfnisse der Kranken stehen nicht im Zentrum dieser Vorlage. Es wird keine Möglichkeit für Selbsttherapie bzw. Eigenanbau geben. Das bleibt wie bisher verboten, genauso wie der sonstige Umgang mit THC-haltigen Produkten.

Der vorliegende Vorschlag für eine BetmG-Änderung will vor allem ein Herauslösen von Cannabis als Medizin aus der Totalverbotskategorie im BetmG. Das ist das Herzstück der Vorlage – also die Aufhebung des Verkehrsverbotes. Damit wäre Hanf dann auf derselben Stufe wie Morphin oder Kokain. So könnte dieser dann ohne Ausnahmebewilligung von ÄrztInnen verschrieben werden.

Hanf in zwei Kategorien

Aber: nicht jeglicher Hanf, sondern nur Hanf zur medizinischen Verwendung. Das wäre nun ein Novum im BetmG, dass etwas so aufgeteilt würde (Kokain zum Beispiel ist einfach in einer anderen Kategorie, ohne Unterscheidung nach Medizin/nicht Medizin). Damit verbleibt der nicht-medizinische Hanf immer noch in dieser unsäglichen Totalverbots-Kategorie…

Was bringt diese Teil-Aufhebung des Verkehrsverbotes von Hanf überhaupt? Direkt nicht viel. Es geht um die juristische Hintergrundebene: um das Öffnen einer Türe, damit dann in den nächsten Jahren empfohlene Verschreibungen festgelegt werden können.

Nach dieser Gesetzesänderung müssten also noch einige weitere Schritte erfolgen: In der BetmVV-EDI könnte Medizinalhanf vom Verzeichnis d ins Verzeichnis a verschoben werden (von verboten zu kontrolliert). Ausserdem wäre nicht mehr das BAG zuständig, sondern die Swissmedic, die dann die Aufsicht ausüben würde. Weiter würde auch das Schweizerische Arzneibuch angepasst (Definition von Sicherheits- und Qualitätsanforderungen für Cannabis in der Medizin).

Pharmaindustrie entwickelt(e) keine Medikamente

Am liebsten hätten das EDI/BAG und die Swissmedic, wenn die Pharmaindustrie zum Thema forschen und Medikamente entwickeln würde: Medikamente, die für konkrete Indikationen kreiert und dafür auch in klinischen Studien doppelblind validiert wären und dann von Swissmedic zugelassen werden könnten. Doch dies geschieht einfach nicht. Bisher gibt es ja nur ein «richtiges» Cannabis-Medikament: Sativex (ein THC-haltiger Spray für die Anwendung in der Mundhöhle). Dieses kann schon heute ohne Ausnahmebewilligung von ÄrztInnen verschrieben werden, aber eben: nur in Fällen von mittelschwerer bis schwerer Spastik bei Multipler Sklerose.

Meistens werden Magistralrezepturen (Tinkturen oder Öle mit standardisierten Gehalten an THC) in Apotheken hergestellt und an Kranke (natürlich nur mit Ausnahmebewilligung) abgegeben. Das wird auch in Zukunft so bleiben, solange weiterhin keine «normalen» Hanfmedikamente entwickelt werden. Der grosse Vorteil wäre nun aber, dass dies neu ohne Ausnahmebewilligungen geschehen könnte.

Vom BAG zu den ÄrztInnen

Falls diese Gesetzesrevision erfolgreich sein sollte, hätten die ÄrztInnen viel mehr zu sagen: Sie müssten dann für Hanfverschreibungen keine Ausnahmebewilligungen mehr einholen. Dennoch könnten sie Hanf nicht völlig frei verschreiben.

Im Gesetz stehen zwar keine rechtlichen Einschränkungen für die Darreichungsformen oder Zubereitungen. Trotzdem können sie nicht irgendetwas verschreiben, sondern es müssen alle Vorschriften für Medikamente eingehalten werden (standardisiert, reproduzierbar, dosierbar und noch vieles andere mehr).

Es gibt auch keinen Katalog im Gesetz, bei welchen Beschwerden solcher Medizinalhanf verschrieben werden darf (Indikationen). Das ist ebenfalls kein Freipass für ÄrztInnen, einfach allen Kranken Hanf zu verschreiben, denn sie müssen sich an ihre Sorgfaltspflicht halten. Das BAG, die Kantone und die ärztlichen Fachgesellschaften sollen über die Zeit Behandlungsempfehlungen entwickeln. Das ergäbe dann wohl eine Liste mit den zulässigen Indikationen sowie den dafür empfohlenen Zubereitungen und Dosierungen.

Da die ÄrztInnen durch die jeweiligen KantonsärztInnen kontrolliert werden, könnte es durchaus auch regionale Unterschiede bei der Verschreibung geben. Weiter könnten und würden sich wohl nach wie vor sehr viele ÄrztInnen weigern, Hanf zu verschreiben.

Es wird wohl nur für wenige Kranke einfacher werden

Sehr häufig rauchen Kranke Hanf, weil das die schnellste Wirkung garantiert. Auch das Verdampfen ist beliebt. Die orale Aufnahme in Tropfenform ist langsamer. Rauchen ist jedoch für das BAG keine medizinische Anwendung, immerhin wird das Verdampfen nicht für alle Zeiten ausgeschlossen (und allfällige Hanfzubereitungen dafür wären von der Tabakbesteuerung ausgenommen).

Die Krankenkassen müssten die Kosten auch in Zukunft nicht übernehmen (weil die Wirksamkeit halt nicht nachgewiesen sei). Immerhin soll es dafür ein Evaluationsprojekt geben.

Zeitplan

Die Vernehmlassung läuft bis 17.10.19, dann überlegt sich der Bundesrat, wie er den Vorschlag definitiv vors Parlament bringen will.

Zuletzt geändert: 2019/12/24 16:22

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