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The next big thing oder Repression wie immer?

Der immer grössere legale Cannabis-Markt wird in den USA häufig als «the next big thing» bezeichnet. Also das Geschäftsfeld, das in den nächsten Jahren einen riesigen Boom erleben wird. Will die Schweiz dabei sein oder abseits stehen?

Internationale Entwicklung

Immer konkreter werden die Entkriminalisierungen und Legalisierungen quer über unseren Planeten. Nun ergibt sich die Möglichkeit, in vivo verschiedene Legalisierungsansätze zu beobachten. Dazu gibt es ein Paper von SuchtSchweiz, in dem die Lagen und Entwicklungen in den verschiedenen Weltgegenden in vielen Details verglichen werden: «Vom Rio de la Plata bis zum Genfersee, Regulierung des Cannabismarktes – neue Entwicklungen» liegt nun bereits in der zweiten Version vor; die beiden Autoren möchten weitere Updates herausgeben. Wer sich für ­internationale Entwicklungen interessiert, sei dieser Bericht empfohlen.

Projektstudien für Cannabisabgabe

Es schien nichts mehr zu laufen, doch: Genf will 2015 das Abgabeprojekt weiter ausformulieren. Altbundesrätin Ruth Dreifuss arbeitet mit und bringt ihr Wissen aus der Heroinabgabe ein. Schliesslich soll beim BAG eine Bewilligung für diesen Versuch eingeholt werden (Tagi, 31.12.14, WOZ, 8.1.15). Winterthur hat Angst vor den Kosten und will keinen Pilotversuch unternehmen, möchte aber in der Cannabisgruppe (unter anderen die Städte Genf, Basel und Zürich) teilnehmen (NZZ, 31.1.15).

Letztlich könnten die Abgabeprojekte wohl etwa so aussehen: Genf würde zum Beispiel an 30’000 THC-Konsumierende Gras und Hasch in einem Versuchsprojekt verkaufen. Dieses würde drei Jahre lang laufen und wäre ein wissenschaftliches Forschungsprojekt. Die Hauptfragen könnten sein: Kann eine Abgabe den illegalen Markt austrocknen? Führt eine Abgabe zu einer besseren Sicherheitslage der Bevölkerung? Entlastet die Abgabe Polizei und Justiz substanziell? Führt eine Abgabe zu einer Verbesserung der Situation der Konsumierenden? Können problematische Konsumierende besser erreicht werden?

Wenn alles gut läuft (Planung, Bewilligung, politische Entscheide, Aufbau des Projektes), könnte frühestens 2017 damit begonnen werden. Das wird noch viele Diskussionen geben!

Handel und Gewalt

Seit der Zerschlagung der Hanfläden nach der Jahrtausendwende haben wir es immer wieder gesagt und geschrieben: Mehr Repression bedeutet, dass das Dealen mit mehr Risiko verbunden ist und dadurch sozial absteigt: Dealer aus besser gestellten Schichten hören auf und dafür dealen Menschen mit schlechteren bis hin zu prekären Lebensbedingungen. (Denn ausrotten kann die Repression das Phänomen nicht.) Mit einem solchen Abstieg ist auch ein Anstieg der Gewaltbereitschaft verbunden.

Nun sehen wir, zu was dieser repressive Schwachsinn geführt hat. Die Schiesserei in Altstätten (NZZ, 17.2.15) mit zwei Schwer­verletzten inmitten von tausenden Hanfpflanzen ist da nur die Spitze der Gewalt, allerdings eine eindrückliche.

Ich frag(t)e mich ja immer wieder, wie unverantwortlich die Polizeien und Staatsanwaltschaften sind, wenn ich erfahre, wie sie im Betäubungsmittelbereich vorgehen. Sehen sie die kontraproduktiven Ergebnisse ihrer Handlungen nicht? Sie sind so offensichtlich, dass es weh tut:

Seit der Zerschlagung der Hanfläden, seit der Räumung der Hanffelder draussen, seitdem fast jede Balkonpflanze verfolgt wird, gab es halt weniger Gras, kaum noch günstige Outdoor-Selbstversorgung, der Preis und die Gewinnspanne stiegen, hochtechnisiertes und teureres Indoor wurde zur einzigen Möglichkeit, die Professionalität und der Geldeinsatz wurden höher, die Anlagen grösser, es bildeten sich grössere und professionellere Banden und dadurch nahmen auch gewalttätige Auseinandersetzungen zu.

Da müsste es doch Polizeien und Staatsanwaltschaften auffallen, dass sie ganz direkt die Kriminalität fördern statt sie zu reduzieren. Sie müssten doch einmal zugeben, dass sie mit Repression nicht weiterkommen, dass andere, politische Änderungen nötig sind und sich weigern, diesen kontraproduktiven Job auszuführen. Aber sie machen weiter, wie wenn sie es wirklich nicht begreifen. Zum Verzweifeln!

Und dann kommt die Aargauer Zeitung am 19.2.15 mit einem Interview, in dem Olivier Guéniat, Chef der Neuenburger Polizei, Klartext redet: «Seit Anfang 2000er-Jahre hat sich der Indoor-Hanfhandel in der Schweiz professionalisiert und die Gewalt nahm stetig zu … Traditionellerweise waren viele Schweizer im Cannabis-Geschäft tätig … Seit ein paar Jahren kamen aggressivere Player … Diese neuen Hanfzüchter bringen einen anderen Hintergrund mit, haben teilweise den Krieg und Kokain-Heroin-Handel erlebt … Die Schweizer Prohibitions-Politik ist mitschuldig an der zunehmenden Kriminalität im Cannabis-Handel. ­Zu­dem setzt er die Konsumenten schutzlos einem kriminellen Gewerbe aus … Der Kampf der Polizei gegen die Droge ist schon längst verloren.» Deshalb plädiert er für staatliche Regeln im Cannabis-Markt, wie es ja auch beim Alkohol welche gibt.

Uff! Es sind also doch nicht all unsere Polizeien und Staatsanwaltschaften unverantwortlich. Ich bin etwas erleichtert.

Ja zur Legalisierung

Im 20Minuten gab es eine grössere Umfrage zum Thema, die bei etwa 19’000 Antworten rund 80% für eine Legalisierung ergab (18.2.15). Repräsentativ ist die Umfrage natürlich nicht, aber doch eindrücklich. Wie könnte dieses grosse Potenzial am besten ausgeschöpft werden?

Zuletzt geändert: 2018/09/20 11:24

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