Die Politik will keine Legalisierung - Die Dealer freuts!

2007 wird die Politik immer wieder über unser Genussmittel debattieren: Die BetmG-Teilrevision wird konkreter, die Hanf-Initiative beginnt ihren Hürdenlauf. Welche Hoffnungen bestehen? Was ist unsere Haltung zu den politischen Bemühungen?

Die Behandlung der Teilrevision im Nationalrat

Am 13., 14. und 20. Dezember 2006 behandelte der Nationalrat die Teilrevision des BetmG. Es war über weite Strecken eine öde Diskussion: Ein ganzer Haufen von Anträgen von ganz rechts (vor allem von Waber, EDU und Ruey, LP) wollten den Vorschlag der Kommission verschärfen – ihr Mantra war «völliger Drogenverzicht» und «mehr Repression». Sie hatten aber keine Chance. Zuerst wollten sie das ganze Geschäft vertagen, doch der Nationalrat ging nicht darauf ein. In der Eintretensdebatte führten die Parteien ihre altbekannten Meinungen auf. Jacqueline Fehr (SP) will nun endlich die «unbestrittenen» Elemente der alten Revision unter Dach bringen – Cannabis soll dabei ausgespart bleiben. Dieses Thema soll im Rahmen der Hanf-Initiative behandelt werden. Die CVP begrüsst zwar die Teilrevision, stellt aber klar, dass sie weiterhin für die Strafbarkeit des Drogenkonsums ist. Und ebenso für die Strafbarkeit des Cannabiskonsums. Christian Waber (EDU) findet nach wie vor «das beste Rezept ist: Hände weg von Drogen». Doch kann er sich mit der medizinischen Verwendung von THC-Produkten einverstanden erklären: «Ich glaube, dass die Nebenwirkungen nicht viel schlimmer sein können als die anderer Medikamente der Pharmazie.» Immerhin! Franziska Teuscher (Grüne) will zwar die Vier-Säulen-Politik, findet aber, dass die Repression zu viel Mittel beansprucht. Die Grünen sind in der Debatte auch die einzigen, die klar der Meinung sind, dass der «Konsum von Betäubungsmitteln straffrei sein» muss. Silvia Schenker (SP) vertritt die moderne Haltung der Suchtfachleute, die weniger die Substanzen (ob legal oder illegal) als Hauptproblem ansehen, sondern die Art des Konsums und die individuelle Gefährdung thematisieren möchten: Es gibt einen genussvollen Umgang mit allen psychoaktiven Substanzen, und es gibt auch einen problematischen Umgang. Felix Gutzwiller (FDP) will diese Vorlage nun endlich verabschieden. In der Detailberatung wurden alle Vorstösse, die von der rechten Minderheit eingebracht wurden, mit jeweils rund 90 bis 110 gegen 50 bis 70 Stimmen gebodigt.

Die Strafrahmen werden normalisiert

Der Bundesrat konnte sich jedoch einige Male durchsetzen. Er hatte ja in seiner Stellungnahme auf verschiedene massive Strafverschärfungen hingewiesen und konnte diese Strafen nun wieder auf das heutige, «normale» Niveau senken. Der Strafrahmen für Produktion, Weitergabe und Verkauf liegt nun wieder bei bis zu drei Jahren Gefängnis, statt wie ursprünglich zwanzig Jahren (beim schweren Fall sind diese zwanzig Jahre jedoch, wie bisher auch schon, weiterhin möglich). Auch bei Weitergabe an eine Person unter 18 Jahren wurde der Strafrahmen auf drei Jahre festgelegt, statt den zuvor vorgeschlagenen zwanzig Jahren. Damit konnte eine massive Verschärfung des Gesetzes verhindert werden.

Der einzige wirklich brauchbare Antrag wird abgeschmettert

Einen kleinen Lichtblick gab es: Der Grüne Daniel Vischer stellte den Antrag, dass der Konsum von allen Betäubungsmitteln straffrei sein sollte. Damit wären zwar die Vorbereitungshandlungen immer noch strafbar geblieben, aber es wäre mal ein Anfang in Richtung Entkriminalisierung gemacht worden. Doch die Abstimmung ergab ein vernichtendes Resultat: Nur 36 Nationalrätinnen und Nationalräte mochten Vischer folgen, 122 jedoch stimmten dagegen. Somit war es nicht nur ein kleiner Lichtblick, sondern auch ein ganz kurzer. In der Schlussabstimmung verabschiedete der Nationalrat das Geschäft mit 108 gegen 65 Stimmen (bei 16 Enthaltungen) relativ komfortabel. Anschliessend kündete Waber noch ein Referendum an, falls der Ständerat dieser Vorlage ebenfalls zustimmen sollte.

Jetzt geht die Vorlage zum Ständerat

Die Kommission des Ständerates wollte diese Vorlage am 15. Februar 2007 debattieren, konnte aber die Diskussionen noch nicht beenden. Somit kann der Ständerat die BetmG-Teilrevision nicht in der Frühlingssession behandeln.

Unsere Haltung zur Teilrevision

Sollen wir nun für oder gegen dieses Gesetz sein? Es bringt für die THC-Konsumierenden keine grossen Veränderungen: THC-Genuss bleibt strafbar, Gras und Hasch bleiben illegale Betäubungsmittel. Positiv ist sicher die Möglichkeit, THC-Produkte bei Krankheiten als Medikamente einsetzen zu können. Allerdings soll diese neue Möglichkeit sehr restriktiv gehandhabt werden, so dass nur wenige Personen davon profitieren dürften. Negativ ist die völlige Illegalisierung des Hanfanbaus. Da dieser aber heute schon faktisch in den allermeisten Fällen verunmöglicht wurde (weil ja sehr wenige Indizien bereits für die Erkennung auf «Hanfkraut zur Betäubungsmittelgewinnung» ausreichen und eine Beschlagnahmung und Verurteilung ermöglichen), ändert sich für uns nicht viel. Es kommt also schlicht nicht wirklich darauf an. Ich hätte bei der Schlussabstimmung wohl auch leer eingelegt, wie dies zwei Vertreter der Grünen getan hatten.

Zur Lage der Hanf-Initiative

Die Botschaft des Bundesrates liegt seit Mitte Dezember 2006 vor. Sie gibt einen guten Überblick über den Stand der offiziellen Meinung zum Thema THC und Politik und kann in ganzem Wortlaut unter www.bag.admin.ch/themen/drogen/00042/index.html?lang=de auf der Seite ganz unten rechts (Downloads) heruntergeladen werden. «Obschon die Hanfinitiative Forderungen enthält, die in wesentlichen Teilen der bisherigen Haltung des Bundesrates in der Cannabisfrage entsprechen, empfiehlt der Bundesrat die Ablehnung der Initiative.» Dies ist der zentrale Satz der Botschaft – irgendwie völlig absurd, aber eben auch eine präzise Zusammenfassung der politischen Situation bezüglich THC-Konsums in der heutigen Schweiz. Die Kommission des Nationalrates hat sich am 22. Februar 2007 der Meinung des Bundesrates angeschlossen: Nein zur Initiative und keine Bereitschaft, einen Gegenvorschlag mit einer Minivariante auszuarbeiten. Damit ist die Wahrscheinlichkeit sehr gestiegen, dass auch die ständerätliche Kommission keine minimale Verbesserung ins Auge fasst. So zeichnet sich ab, dass eine Mini-Entkriminalisierung erst auf lange Sicht, in fünf bis zehn Jahren, möglich wird. Denn die Hanf-Initiative wäre zwar eine theoretische Möglichkeit, die Lage zu ändern, aber eine Annahme ist unter den heutigen Bedingungen unvorstellbar. Doch ist es sehr wichtig, dass die Initiative ein möglichst gutes Resultat, also viele Ja-Stimmen, erreicht. Hierzu müssen sich alle konkrete Überlegungen machen.

Zur politischen Situation

Fachlich ist es klar: Das Verbot ist nicht haltbar, eine Änderung Richtung Legalisierung muss her. Aber politisch gibt es keine Mehrheit für eine solche Änderung. Das Thema ist dermassen emotional besetzt, dass keine Bewegung entstehen kann. Zwar sehen viele Menschen ein, dass es nicht fair ist, THC-Genuss mit dem Strafrecht zu verbieten. Aber niemand, vor allem kein Politiker, will dastehen als «Drogenförderer». Denn mit einer positiven Haltung zur Legalisierung gewinnt man keine Wahlen, das gilt vor allem für die CVP. Diese Partei müsste sich bewegen, doch sie kann dabei nichts gewinnen (und nur darum geht es, nicht um sachlich richtige Politik). Dabei nehmen solche Kreise durchaus bewusst in Kauf, illegalen Drogenhandel zu fördern und mafiosen Strukturen Profite zu ermöglichen, sowie THC-Geniessende zu Unrecht mit dem Strafrecht zu verfolgen. Dieses Verhalten ist der Skandal, nicht der THC-Genuss.

Warum lässt sich keine Mehrheit für eine Entkriminalisierung finden?

Das grösste Problem ist, dass es keine relevanten politischen Kräfte gibt, die THC-Konsum als etwas Positives sehen. Von links bis rechts wird dieses Verhalten als etwas Negatives angesehen. Die Linke und liberale Bürgerliche sehen den Konsum primär als selbstschädigendes Verhalten und wollen solches Verhalten generell nicht unter Strafe stellen. Die Mitte empfindet THC-Konsum als unanständig, unmoralisch. Die Strafen müssen zwar nicht hoch sein, aber es braucht für diese Leute ein Signal, dass der Konsum unerwünscht ist. Zum Beispiel also Bussen für Konsum. Die Rechte verachtet THC-Konsumierende (im besten Fall) oder hasst diese (im schlechtesten Fall). In diesen Kreisen scheint auch eine Zwangsbehandlung im Bereich des Vorstellbaren zu liegen.

Die Wahrnehmung der positiven Seiten fehlt

Wir sehen zwar die positiven Seiten des THC-Genusses, aber wir sind keine relevante politische Kraft. Für uns gibt es den gesunden, schönen, lebensbereichernden, angenehmen, das Individuum vorwärts bringenden THC-Konsum. Er ist ein überaus positiver Teil der Lebensgestaltung von vielen Menschen, für die THC-Produkte wunder- und wonnevolle Mittel sind. Oder kreativitätsfördernde Mittel, Schlafmittel, Antidepressiva, Gefühlsverstärker oder Beruhigungsmittel. Das Spektrum der Wirkungen ist sehr gross und auch widersprüchlich; es kommt bei der THC-Wirkung stark auf die Person, ihre Verfassung und Stimmung, sowie die Konsumart an. Aber weder Politik noch Bevölkerung nehmen diesen positiven Teil wahr.

Ein Vergleich mit der Sexualität

Vergleichen wir das Thema THC mit einem anderen emotional stark aufgeladenen Thema: der Sexualität. Dort gibt es unbestrittenermassen noch viel schrecklichere Folgen als beim THC-Konsum: Ungewollte Schwangerschaften, Abtreibungen, Geschlechtskrankheiten, gewalttätige Übergriffe – einen ganzen Haufen von schrecklichen Dingen, die wohl niemand als «gut» anschaut. Doch deswegen die Sexualität als Ganzes zu verbieten, das fänden die allermeisten absurd. Denn es gibt bei sehr vielen die konkrete Erfahrung, dass Sexualität primär einfach etwas Schönes ist. Solches positives Erleben haben zwar die allermeisten THC-Geniessenden, aber eben nicht die Mehrheit der Bevölkerung. Diese sieht nur die alkoholisierten und bekifften Jugendlichen; die Ärzte und Ämter sehen nur Menschen mit vielen Problemen, die halt auch noch THC konsumieren. Und alles wird dann irgendwie in den Kiffer-Topf geworfen – der schöne, unproblematische THC-Genuss bleibt dabei unsichtbar.

Das Image ist miserabel – hier gibt es Handlungsbedarf

THC-Konsum hat somit ein miserables Image. Hier liegt das Hauptproblem: THC-Genuss wird von den Medien und der Politik immer nur unter den negativen, problematischen Aspekten angeschaut. Und auf der anderen Seite gibt es kaum Menschen, die öffentlich hinstehen und erklären, wieso THC-Genuss eine grosse Bereicherung ihres Lebens ist. Vorstellbar ist eine Imageänderung nur, wenn sehr viele seriöse THC-Geniessenden in der Öffentlichkeit zu ihrem Genussmittel stehen und ein positives Bild von sich und ihrem Hobby zeichnen können. Damit stellt sich die Frage: Wie können wir eine solche Bewegung aufbauen?

Links ist dafür, Rechts ist dagegen, die FDP gespalten und die CVP verharrt in der Neinposition. Damit ergibt sich selbst für eine kleine Lösung zurzeit keine Mehrheit. Das zeigte auch die Diskussion in der Kommission des Nationalrates: Mit 11 gegen 10 Stimmen bei drei Enthaltungen lehnte sie einen Gegenvorschlag knappstmöglich ab – damit rückt selbst eine Minilösung in weite Ferne.

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Die Schritte rund um die Hanf-Initiative

• Initiative wird eingereicht 01/06

• Bundesrat lehnt Initiative ab, kein Gegenvorschlag 12/06

• Kommission des Nationalrates lehnt Initiative ab, kein Gegenvorschlag wird ausgearbeitet 02/06

• Nationalrat diskutiert pendent

• Kommission des Ständerates diskutiert, evtl. Gegenvorschlag? offen

• Ständerat diskutiert offen

• Schlussabstimmung offen

• Volksabstimmung über Initiative (und allfälligen Gegenvorschlag?) offen

• Initiative wird sicher abgelehnt, aber mit welchem Stimmenverhältnis?

Die Schritte der BetmG-Teilrevision

• Kommission des Nationalrates lanciert Kommissionsinitiative 02/05

• Kommission des Ständerates gibt grünes Licht dafür 05/05

• Nationalrat nimmt Kommissionsinitiative mit Änderungen an 12/06

• Kommission des Ständerates berät das Anliegen pendent

• Ständerat diskutiert offen

• Differenzen NR/SR offen

• Schlussabstimmung offen

(Damit ist der Gesetzestext definitiv.)

• Referendum ist wahrscheinlich

• Volksabstimmung offen

• Inkrafttreten offen

Zuletzt geändert: 2023/12/22 21:16

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