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Eine Änderung ohne richtige Verbesserungen

Ein neuer Vorschlag zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes BetmG liegt auf dem Tisch. Vieles kann sich noch ändern im Verlauf der parlamentarischen Beratungen. Wir vergleichen das geltende Gesetz mit dem konkreten neuen Vorschlag, der nun zur Diskussion steht.

Um was geht es?

Gestartet wurde diese Teilrevision, weil die Revision des BetmG im Sommer 2004 vom Nationalrat versenkt wurde. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates arbeitete die hier diskutierte Vorlage aus, nachdem ihre Schwesterkommission aus dem Ständerat die Zustimmung erteilt hatte. Verankert werden soll die Heroinabgabe. Diese vor allem ist den PolitikerInnen wichtig – denn Ende 2009 läuft die befristete Heroinabgabe aus und alle Heroinkonsumierenden würden wieder auf der Strasse stehen – unhaltbare Zustände wären vorprogrammiert. Es wurde zwar immer betont, man wolle die Cannabisfrage ausklammern – nur diese habe zum Scheitern der Gesamtrevision geführt. Doch wenn man den vorliegenden Text genauer anschaut, dann wird klar: Es geht sehr wohl auch um Cannabis. Allerdings nicht um eine Entkriminalisierung, nicht einmal des Konsums. Im Gegenteil: Das Ziel der Abstinenz soll zum ersten Mal im BetmG verankert werden und gleich im ersten Artikel. Schlecht bei dieser Teilrevision ist, dass der Begriff «Hanfkraut zur Betäubungsmittelgewinnung» wegfällt und neu Hanfpflanzen generell als illegale Betäubungsmittel gelten. Damit ist das letzte Schlupfloch im Gesetz gestopft. Positiv ist, dass THC-Produkte als Heilmittel zugelassen werden, allerdings nur auf sehr restriktive Art mit Spezialbewilligungen. Eine Übersicht über die interessantesten Punkte findest du in der Grafik auf der nächsten Seite.

Wie geht es weiter?

Die Kommission des Nationalrates hat ihre Vorarbeiten und die Beratungen abgeschlossen. Am 14. Dezember kommt die Vorlage in den Nationalrat. Die erste Frage lautet dort, ob der Nationalrat überhaupt auf diese Teilrevision eintreten will oder nicht (die letzte Revision ist ja genau daran gescheitert, dass der Nationalrat von dem Projekt gar nichts mehr wissen wollte). Wenn er darauf eintritt, wird er sich durch alle Paragrafen kämpfen und dabei auch verschiedene Minderheitsanträge behandeln müssen. Diese fordern meistens eine weitere Verschärfung des Gesetzes bzw. das Streichen der Vier-Säulen-Politik oder der Heroinabgabe. Auf diese Diskussionen können wir sehr gespannt sein, denn sie konnten 2004 ja gar nicht stattfinden. Anschliessend geht die Vorlage zur Kommission des Ständerates. Darauf folgt der Ständerat – auch hier muss Eintreten beschlossen werden und es können Änderungen am jetzigen Text angebracht werden. Wenn sich National- und Ständerat einig sind (evtl. nach mehreren Bereinigungsrunden) und die Schlussabstimmung überstanden ist, liegt der definitive Gesetzestext vor. Nun beginnt die Referendumsfrist zu laufen – wenn jemand das Referendum ergreift und innerhalb von 100 Tagen 50’000 Unterschriften sammelt, kommt es zu einer Volksabstimmung. Wenn der Text von den Abstimmenden angenommen wird, wird er in Kraft gesetzt und die Verwaltung kann die präzisierenden Verordnungen erarbeiten und in Kraft setzen. Das Prozedere wird also noch ein paar Jahre Zeit benötigen.

Und wo bleiben unsere Anliegen?

Befriedigend ist dieses Gesetz natürlich nicht. Befriedigend wäre demgegenüber die Volksinitiative «Pro Jugendschutz gegen Drogenkriminalität» – wenn deren Bestimmungen angenommen würden, könnte ein vernünftiger legaler Umgang mit THC-Produkten stattfinden. Doch zu einer Annahme wird es unter den gegebenen politischen Verhältnissen nicht kommen. Die Ängste der Bevölkerung sind zu gross und die Schlagkraft der Hanfbewegung ist schlicht zu klein.

Die Ängste und Vorbehalte sind riesig

Doch vielleicht kann ein Gegenvorschlag zur Initiative ausgearbeitet werden. Der Bundesrat hat sich zwar geweigert, einen solchen Schritt zu unternehmen, doch die Kommissionen könnten einen solchen Text entwerfen, wenn sie die Volksinitiative beraten (was wohl 2007 stattfinden wird). Aber was könnte allenfalls mehrheitstauglich sein? Eine solche Vorlage müsste die Ängste und Abneigungen der Bevölkerung ernst nehmen: Die Angst vor einer verkifften Jugend, die Angst vor THC-Tourismus aus dem Ausland, die Missbilligung des Konsums in der Öffentlichkeit, die Verachtung gegenüber Menschen, die mit THC-Handel ihren Lebensunterhalt verdienen. Trotz all dieser grossen Vorbehalte scheint es mir eine Mehrheit zu geben, die den privaten Konsum von THC-Produkten eben wirklich für eine persönliche, legale Angelegenheit hält.

Hoffnung auf einen Gegenvorschlag mit Minilösung?

Eine mehrheitsfähige Vorlage könnte folgendermassen aussehen: Grundsätzlich bleibt der Umgang mit THC-Produkten verboten, ausser er geschieht…

• im Privaten (Konsum und Besitz zu Hause)

• durch volljährige Personen, die in der Schweiz wohnhaft sind

• ohne Anwesenheit Minderjähriger

• mit selbstproduziertem Gras und Hasch (keine Unterstützung des Schwarzmarktes)

• im kleinen Rahmen (z.B. unter 100 Gramm im Jahr)

• durch gut integrierte Konsumierende, die nicht von der Sozialhilfe abhängig sind und keine Probleme verursachen

• ohne Abgabe an weitere Personen, ausser zum gemeinsamen unentgeltlichen Konsum (mit in der Schweiz wohnhaften, erwachsenen Personen ohne spezielle Probleme usw.).

Natürlich ist das nur eine ganz kleine «Lösung». Doch wäre eine solche Vorlage das Maximum, was ich angesichts der herrschenden Zustände für mehrheitsfähig erachte. Nun zur konkreten Übersicht über die jetzt vorliegende Gesetzesrevision, die nicht einmal eine solche Minilösung enthält!

Aus alt mach neu

Alles in allem umfasst diese Teilrevision weit über 100 Seiten Text. Fast das ganze Gesetz wird geändert: Totalrevision wäre hier präziser. Aber dieses Wort weckt wohl zu grosse Ängste. Wir beschränken uns in der unten stehenden Übersicht auf die Artikel über THC-Produkte und die Strafbestimmungen (die für alle Betäubungsmittel gelten). Blau hinterlegt sind die Themen, die uns interessieren, gelb hinterlegt die aktuellen Bestimmungen dazu, rot hinterlegt die vorgeschlagenen Änderungen. Die Beratungen im Parlament können einiges ändern. Mit einem schnellen Internetanschluss kannst du auf www.parlament.ch die laufenden Diskussionen live verfolgen. Und im nächsten Legalize it! werden wir die aktuelle Entwicklung wieder zusammenfassen. Mitglieder dürfen gerne unseren Sekretär anrufen oder ihm mailen und Fragen zum politischen Prozess stellen. Im Büro ist eine Einsicht in alle Unterlagen möglich.

Aus alt mach neu
Thema Die Bestimmungen im geltenden Recht (im Betäubungsmittelgesetz BetmG, sofern nichts anderes vermerkt ist) Die vorgeschlagenen Änderungen in der Teilrevision
Verboten sind nach Gesetz … … Haschisch, Hanfkraut zur Betäubungsmittelgewinnung. Haschisch ist immer verboten, Hanfblüten jedoch nur, wenn sie als Betm verwendet werden sollen. … Betäubungsmittel vom Wirkungstyp Cannabis. Damit wird die Polizei entlastet – sie muss bei Hanfpflanzen oder Hanfblüten nicht mehr die Absicht der Betm-Gewinnung beweisen. Die Strafverfolgung wird also vereinfacht.
Wer definiert letztlich die Liste der Betäubungsmittel? Die konkrete Liste mit allen Betäubungsmitteln wird vom Schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic erstellt. Die konkrete Liste mit allen Betäubungsmitteln wird vom Eidgenössischen Departement des Innern erstellt.
Der Konsum und die Vorbereitungshandlungen für den Eigenbedarf werden bestraft mit … … Haft oder Busse (meistens wird heute eine Strafe von 100 bis 500 Franken ausgesprochen.) … Haft oder Busse (bleibt gleich)
Die unentgeltliche Weitergabe einer geringfügigen Menge zum gemeinsamen, gleichzeitigen Konsum ist… … generell straflos (faktisch jedoch nur an über 16-Jährige, weil im Strafgesetzbuch die Abgabe von gesundheitsgefährdenden Stoffe an unter 16-Jährige mit Freiheits- oder Geldstrafe belegt ist.) … straflos, wenn sie an über 18-Jährige abgegeben wird. Bei Abgabe an unter 18-Jährige gibt es eine Freiheits- und Geldstrafe mit bis zu 20 Jahren Gefängnis.
Produktion, Weitergabe, Verkauf, Lagerung usw. (nicht zum Eigenbedarf) gilt als… … Vergehen (und wird mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft) … Verbrechen (und wird mit bis zu 20 Jahren Gefängnis bestraft)
Produktion, Weitergabe, Verkauf, Lagerung usw., wenn bandenmässig oder gewerbsmässig, gilt als … … schwerer Fall (und wird mindestens mit einem Jahr Gefängnis bestraft) … schwerer Fall (und wird mindestens mit einem Jahr Gefängnis bestraft, bleibt also gleich)
Wenn Verkauf in oder um eine Ausbildungssttätte erfolgt, gilt das als … … Vergehen (keine spezielle Strafverschärfung) … schwerer Fall (mindestens ein Jahr Gefängnis)
Cannabis als Medizin ist (Konsum und Abgabe) … … verboten (ausser für bewilligte Forschungsprojekte) … restriktiv erlaubt (spezielle Ausnahmebewilligungen sind möglich)
Das Ziel des Gesetzes ist … (keine spezielle Zieldefinition) … die Abstinenz
Die Vier-Säulen-Politik wird … … gar nicht erwähnt (streng genommen ist die heute bereits praktizierte Vier-Säulen-Politik also illegal.) … umfassend verankert (Prävention, Therapie und Wiedereingliederung, Schadenminderung und Überlebenshilfe, Kontrolle und Repression)
Die Heroinverschreibung ist … … bis 2009 möglich … unbefristet gesetzlich verankert
Zuletzt geändert: 2013/10/07 11:34

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