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Ordnungsbussen für THC-Konsum

St. Gallen gilt nicht gerade als fortschrittlicher Kanton, gerade gegen die Hanfläden ist er hart vorgegangen. Doch bei einfachen Fällen von THC-Konsum kann man auf eine relativ milde Bestrafung hoffen. Denn hier kommt das Ordnungsbussenregime zur Anwendung.

Übertretungen, verschieden gehandhabt

THC-Konsum stellt eine Übertretung dar, vergleichbar mit dem Falschparkieren. Doch während Falschparkierende direkt von der Polizei gebüsst werden können (und bei ihrer Rückkehr einen Bussenzettel unter dem Scheibenwischer vorfinden), können THC-Geniessende von der Polizei nur verzeigt werden. Die Strafe, normalerweise eine Busse, wird dann vom Polizeirichter ausgesprochen (dieser heisst in anderen Gegenden der Schweiz auch mal Statthalter, Bezirksamtmann, Untersuchungsrichterin, Verhörrichter, Préfet oder Stadtrichterin). Dann muss der Verzeigte nicht nur die Busse, sondern auch noch die Spruchgebühren, sowie Schreib- und Zustellgebühren zahlen (in anderen Gegenden der Schweiz heissen diese Unkosten auch mal Staatsgebühr und Kanzleigebühr oder einfach schlicht Gebühr und Kosten). Das verdoppelt die Höhe der Strafe häufig, ausserdem beschäftigen sich neben der Polizei auch noch weitere Amtsstellen mit dem Delikt.

Die CVP-Idee

Nach der gescheiterten BetmG-Revision hatte die CVP ja angeregt, THC-Konsumierende einfach und schnell per Ordnungsbusse zu bestrafen. Also gleich wie einen Falschparkierer. Da beides (Kiffen und falsch Parkieren) in der gleichen Illegalitätsstufe angesiedelt ist (es ist eben beides eine Übertretung), sollte das ja machbar sein. Doch es braucht dafür einen speziellen Eintrag in die Liste der Ordnungsbussen. Dies kann nun nicht gesamtschweizerisch geschehen, sondern muss nach Kantonen, zum Teil sogar nach Gemeinden erfolgen (wenn diese über eine eigene Polizei verfügen). Damit war der Vorschlag der CVP auch etwas Schaumschlägerei – denn es gibt in der Schweiz definitiv keine Instanz, die alle zuständigen Stellen auf einen gemeinsamen Kurs zwingen könnte.

St. Gallen beginnt

Auf der anderen Seite bedeutet das jedoch auch, dass irgendeine Gemeinde oder irgendein Kanton von selber mit einer solchen Neuregelung beginnen kann. Denn die Strafverfolgung ist in der Schweiz ja kantonal geregelt – wie ein Kanton seine Illegalen jagen und bestrafen möchte, kann jeder selber entscheiden, auch wenn das BetmG ein gesamtschweizerisches Gesetz ist.

Der erste Fall

Und letzthin telefonierte tatsächlich ein Betroffener aus dem Kanton St. Gallen und erzählte, er habe direkt dem Polizisten, der ihn erwischt hatte, fünfzig Franken geben müssen und damit sei der Fall erledigt gewesen. Es sei um rund vier Gramm Gras gegangen und er habe einen Joint geraucht. Deswegen sei er auch erwischt worden. Zunächst dachte ich, es handle sich vielleicht um einen falschen Polizisten oder um ein Bussendepositum (das an die später ausgesprochene Busse angerechnet wird). Doch der Betroffene schickte mir die nebenstehende Quittung und so begann ich zu recherchieren.

Bussenerhebung auf der Stelle

Und tatsächlich: In der St. Galler Strafprozessordnung wird im Anhang unter der Überschrift «Bussenerhebung auf der Stelle» die Position 7 aufgeführt. Diese lautet: «Konsum oder Besitz von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum in einfachen Fällen (Art. 19a Abs. 1) 50.–» Zu finden zum Beispiel unter: https://web.archive.org/web/20060601021454/http://www.gallex.ch/gallex/9/962.11.html Damit kann der Polizist einen erwischten THC-Geniessenden auf der Stelle büssen, wobei hier eben keine weiteren Gebühren anfallen und keine weiteren Amtsstellen involviert werden. Das macht dann die Strafe relativ günstig. (Natürlich finden wir es immer noch völlig unverhältnismässig, jemanden wegen Besitzes und Konsums von THC-Produkten zu büssen. Aber es ist halt schon ein Fortschritt, wenn man bedenkt, dass sonst für die gleiche «Übertretung» 100, 200 oder auch 300 Franken Strafe verhängt werden.)

Ein Ermessen bleibt

Unklar bleibt hierbei, was der «einfache Fall» genau zu bedeuten hat. Letztlich kann der Polizist vor Ort entscheiden – vielleicht gehen die genannten vier Gramm noch durch, aber zehn Gramm wären zu viel. Oder wenn es ein paar Menschen betrifft, die den Joint weitergegeben haben, gilt natürlich der «Eigenkonsum» nicht mehr und es geht halt um Weitergabe oder gar um Verkauf. In solchen «nicht mehr einfachen Fällen» muss der Polizist wie sonst üblich die Betroffenen verzeigen und ein Amt entscheidet dann über die Höhe der Busse (und natürlich auch über die Höhe der Gebühren). Die Ordnungsbusse kann übrigens auch ausgestellt werden, wenn andere illegale Betäubungsmittel als Cannabisprodukte gefunden werden. Bedingung ist einzig, dass es ein einfacher Fall ist. Zurzeit kommen wir leider nicht dazu, alle 26 Kantone auf solche Bestimmungen abzuchecken. Deshalb hier ein Aufruf: Wenn du solche Bussen bekommen hast, oder von jemanden weisst, der so gebüsst wurde, sind wir sehr froh um eine Mitteilung!

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Zuletzt geändert: 2023/12/22 21:16

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