Die Berner Läden zwischen Repression und Prävention

In Genf wurde schon sehr früh aufgeräumt, St. Gallen folgte bald darauf, dann schlossen sich Zürich und Graubünden an. In Bern und Basel war das Klima länger hanffreundlich. Doch 2002 nahm der Druck der Repression auch dort zu. Ein Bericht aus Bern.

Ein heisser Sommer 2002

Dieser Sommer war heiss. Zuerst hatte der Regierungsstatthalter von Bern überraschend die Idee, sämtliche Läden der Bundeshauptstadt auszulöschen. Zum Glück hat ihm das Verwaltungsgericht klargemacht, dass er nicht zuständig sein könne. Jedoch hat ein gewisser Dr. Kurt Wasserfallen, seines Zeichens Polizeidirektor und bekennender Gegner jeglicher Legalisierung, zeitverzugslos dieses Ämtli mit noch fast grösserem Enthusiasmus übernommen.

Das Fazit dieser Sommeraktion ist grotesk. Unmengen von Steuergeldern wurden vernichtet. Die Justiz hat wieder einen Haufen unnötiger Arbeit zu verrichten und Läden sowie Gras hat es sicher nicht weniger. Man fragt sich, wie lange die Stimmbürger solchen Schwachsinn noch akzeptieren bzw. solche unbrauchbare Politiker weiterhin gewählt werden.

Die Entstehung der IG HSB

Schon bereits nach den öffentlichen Äusserungen des Regierungsstatthalters, das Ziel sei alle Läden dichtzumachen, kam Bewegung in die Szene. Anfänglich nur sechs Läden, später zwölf, schlossen sich zur Interessengemeinschaft Hanfläden Stadt Bern (IG HSB) zusammen.

Ihr Ziel war, den Behörden eine ordentliche Medienschlacht zu liefern und ihnen die (scheinheiligen) Argumente abzujagen.

Als erstes wurden verschiedene Regeln bezüglich des Verkaufs von Hanfprodukten eingeführt. Wir führten die Ausweispflicht, den Verkauf an nur über 18-Jährige, Höchstmengen von 50 Franken pro Tag und ein Werbeverbot ein. Somit waren sämtliche Argumente unserer Gegenspieler eliminiert worden. Es ging trotzdem weiter. Nach der Absetzung vom Regierungsstatthalter dachten wir, es kämen zumindest zwei-drei ruhige Wochen, doch wir sollten uns irren.

Der Feldzug geht weiter

Die nächste Razzia war gezielt auf den ältesten, angesehensten und sowohl in der IG HSB wie der SHK aktivsten Hanfladen der Stadt, das Growland. Da sämtliche Argumente bezüglich Jugendschutz und Unterstützung des Zwischenhandels nicht mehr griffen, berief man sich auf ein laufendes Verfahren.

Zusammenarbeit mit dem Contact

Wir gaben nicht auf und boten sogar der Drogenberatungsstelle Contact an, ihre Prävention auch endlich dort beginnen zu können, wo sie die Jugendlichen auch tatsächlich erreichen, nämlich in den Hanfläden. Auch schickten wir die Verkäufer der Hanfläden in Kurse, um Problemfälle zu erkennen und das Gespräch mit ihnen zu suchen. Doch auch diese Bemühungen wurden von den Behörden kaum zur Kenntnis genommen.

Die ungewisse Zukunft

Trotz all unseren Bestrebungen haben wir bis heute kein Zeichen der Entspannung wahrgenommen. Der Aufbau der Hanfkontrollstelle, welche die Läden überprüfen sollte, stellte sich als sehr schwierig heraus. Wir hoffen immer noch, dass die Behörden unsere guten Ansätze doch noch aufnehmen und in einer Zusammenarbeit mit uns ein konstruktives Konzept für die Gestaltung der Übergangszeit bis zur Legalisierung sehen.

Für die IG HSB: Robin Koenig, Pressesprecher IG HSB

Contact Netz

Eine innovative Suchtpräventionsstelle ist das Berner Contact Netz – Berner Gruppe für Jugend-, Eltern- und Suchtarbeit. Es ist die erste Präventionsstelle, die mit Hanfläden diskutiert hat und versuchen möchte, die Prävention in die Hanfläden zu tragen. Wir zitieren aus dem Pressecommuniqué des Contact Netz. «Das Contact Netz bietet neu in allen Hanfläden, die sich an gewisse Spielregeln halten und mit unseren Beratungsstellen kooperieren, Prävention an. Die Voraussetzungen für eine Prävention in Hanfläden sind für uns folgende:

  • Flyers über Cannabis und dessen Gefahren sichtbar für Kunden aufzulegen
  • auf Duftsäcklein auf die Gefahren des Cannabis hinzuweisen und diese mit entsprechender Adresse der Beratungsstelle des Contact Netz zu versehen.
  • Beratungs- und Kursangebote des Contact Netz zu Cannabis für die Kunden sichtbar im Laden aufzulegen
  • LadenverkäuferInnen im Umgang mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen bezüglich einer möglichen Vermittlung an die Beratungsstellen des Contact Netz schulen lassen.
  • den Jugendschutz einzuhalten, d.h. kein Verkauf an unter 18-Jährige – Ausweispflicht» Auch weitere Präventionsstellen in anderen Berner Städten erklärten sich bereit, mit Hanfläden, die diese Bedingungen erfüllen, zusammenzuarbeiten.

Man kann auch anders

In Zürich hingegen gibt es schon gar keine Läden mehr, mit denen allfällig zusammengearbeitet werden könnte. Die Repression hat sie verschluckt. Dafür fand im Zürcher Kantonsrat eine lustige Debatte statt. Angefragt wurde: «Aus den genannten Gründen bitten wir den Regierungsrat, im Sinne eines wirkungsvollen Jugendschutzes notwendige Aufklärungsarbeit zu leisten und mit gezielten Massnahmen den Verkauf von Cannabisprodukten an Jugendliche zu unterbinden.» Konkrete Ideen, wie denn das umgesetzt werden könnte, hatten sie jedoch nicht. Trotzdem wurde der Vorstoss mit 112 zu 5 Stimmen gutgeheissen. Gleich anschliessend folgte dann eine ähnliche Beratung zur Verstärkung der Prävention für Jugendliche im Alkoholbereich. Obwohl sich hier die SVP energisch wehrte (die Rede war von «Regelungen à la Polizeistaat»), wurde das Postulat mit 65 zu 41 Stimmen angenommen – also um einiges knapper. Daraus kann man schliessen, dass der Zürcher Kantonsrat die Gefahren, die von Hanf für die Jugend ausgehen, als grösser einschätzt als die Gefahren durch Alkohol. Diese Ansicht ist zwar grundfalsch, Alkohol verursacht massiv grössere Probleme, auch bei der Jugend. Aber diese Meinung ist halt leider immer noch weit verbreitet.

Zur Betäubungsmittelgesetz-Revision

Im Vorfeld der Diskussionen der Kommission des Nationalrates, die die BetmG-Revision berät, liessen sich vor allem Präventionsfachstellen vernehmen, die nicht gut finden, dass in der Vorlage nur der Konsum von Cannabis legalisiert werden soll. So spricht sich auch Contact Netz im «Bund» vom 29. Oktober 2002 aus: «Unser Ziel ist klar: Wir fordern die Entkriminalisierung des Konsums und der Vorbereitungshandlungen zum Eigenkonsum aller Betäubungsmittel.» Die Entkriminalisierung des Konsums von Cannabis allein sei nicht akzeptabel, «denn wir unterstützen die Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO, wonach Süchtige Kranke und nicht Kriminelle sind». Man kann gespannt sein, ob diese Forderung im Nationalrat Gehör findet; wenn sie es tut, ergäbe sich eine gewichtige Differenz zum Ständerat, der ja lediglich den Konsum von Hanf entkriminalisieren will. Der Konsum von anderen heute verbotenen Betäubungsmitteln (z.B. Heroin, Kokain, LSD, Psylocibin) soll weiterhin strafbar bleiben.

Zuletzt geändert: 2023/12/22 21:16

Seite teilen: facebook X (Twitter)

Rechtliche Übersicht

Shit happens 15 (Sommer 2023)


Shit happens 15
Jetzt bestellen